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Bundesfreiwilligendienst: Überraschend viele Bewerber

Der Bundesfreiwilligendienst verzeichnet eine überaus große Bewerberresonanz – ganz entgegen den ursprünglichen Erwartungen. Worauf ist das Interesse zurückzuführen?

Von Hans Monath

elten sind die Kritiker eines Regierungsvorhabens so deutlich widerlegt worden wie bei der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes. Das neue Angebot werde sein Ziel verfehlen und könne den Zivildienst nie und nimmer ersetzen, hieß es, als Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) im November 2010 ihren Plan vorstellte. Doch sieben Monate nach dem Start des Projekts im vergangenen Juli zeichnet sich ab, dass es weit mehr Interessenten als Plätze geben wird, weshalb das Ministerium stolz einen „Riesenerfolg“ vermeldet.

Die Stellen für Freiwillige bei den großen Wohlfahrtsverbänden sind schon nahezu ausgebucht. Mit 32 000 Verträgen ist das Kontingent von 35 000 Plätzen nahezu erschöpft, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Bis Sommer rechnen die Verbände sogar mit 60 000 Interessenten. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben warne schon davor, Verträge zuzusagen, die eventuell nicht zu erfüllen sind.

Noch vor wenigen Monaten sah das niemand voraus. „Im Herbst war das Interesse noch sehr verhalten“, erinnert sich der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Gerhard Timm. Doch dann meldeten sich immer mehr Menschen, die für eine begrenzte Zeit im Sozialbereich, im Sport, in der Kultur oder in Integrationsprojekten Erfahrungen machen und sich für die Gemeinschaft einsetzen wollten.

Drei Faktoren sind offenbar dafür verantwortlich, dass der neue Dienst seine Attraktivität entfalten konnte. „Wir haben mächtig Werbung dafür gemacht“, sagt Timm. Auch das Familienministerium bewarb das neue Angebot massiv. Laut Timm und dem Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Clemens Graf von Waldburg-Zeil, waren Interessenten und Verbände anfangs zögerlich, weil die konkreten Konditionen der Freiwilligenverträge noch im September unklar waren – ein Argument, das das Familienministerium freilich zurückweist.

Auch die Demographie spielt eine Rolle

Als entscheidender Faktor gilt den Verbänden schließlich die Tatsache, dass im Frühjahr in mehreren Bundesländern Doppeljahrgänge Abitur machen. Schüler der 12. und der 13. Klasse strömen gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt oder bewerben sich gleichzeitig um einen Studienplatz. Wer nicht damit rechnet, gleich unterzukommen, schaut sich offenbar nach einer Übergangsalternative um. Bis auf wenige tausend sind allein bei den Wohlfahrtsverbänden die 35 000 Plätze schon vergeben, für die laut Gesetz Bundeszuschüsse gezahlt werden. Und auch die Städte sollen bereits Tausende von Verträgen abgeschlossen haben. Prompt regten die Träger an, zumindest im Ausnahmejahr 2013 den Zuschuss zu erhöhen. Auch ein dauerhaft höheres Bundeskontingent solle die Regierung prüfen, meint DRK-Mann Waldburg-Zeil. Das im Freiwilligendienst eingesetzte Steuergeld bringe einen hohen Nutzen für die Gesellschaft.

Ähnlich sieht das der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus: Es brauche „einen längeren Atem und genügend Finanzmittel“, um das freiwillige Engagement zu stärken, warnt er. Eine Ausweitung falle schwer, „wenn jetzt Platzzahlen und Finanzmittel künstlich begrenzt würden“. Das Ministerium sagt zu solchen Wünschen nicht kategorisch Nein, macht aber auch keine Hoffung auf mehr Geld. Denn darüber kann nur der Bundestag entscheiden.

Der Freiwilligendienst soll etwa die Hälfte der Stellen im Zivildienst ersetzen, der am 30. Juni 2010 wie der Wehrdienst ausgesetzt wurde. Anders als der Zivildienst steht er nicht nur jungen Männern, sondern auch Frauen und älteren Menschen offen. 70 Prozent der Teilnehmer sind zwischen 18 und 26, fast ein Viertel aber 27 und älter. Die Teilnehmer sind sozialversichert, erhalten ein Taschengeld von rund 300 Euro sowie Verpflegung, Unterkunft und Arbeitskleidung.

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