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Bundesgerichtshof: "Terroristisch" ist nur, wer organisiert ist

Der Bundesgerichtshof knüpft Strafbarkeit in Terrorprozessen an strenge Vorgaben und rügte mehrere juristische Fehler im OLG-Urteil vom Dezember 2007 gegen ein Al-Quaida-Mitglied und zwei Helfer. -

Deutsche Gerichte dürfen nur straff organisierte Gruppen als „terroristische Vereinigung“ einstufen. Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) vom Freitag, mit dem das Karlsruher Gericht ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf gegen ein Al-Qaida-Mitglied und zwei Helfer im Wesentlichen aber bestätigte. Das Trio wollte 2004 mit einem millionenschweren Versicherungsbetrug Geld für das Terrornetzwerk beschaffen.

Laut BGH gilt Al Qaida eindeutig als terroristische Vereinigung, und zwar auch in der Zeit, als die Gruppe durch die US-Angriffe auf Afghanistan organisatorisch geschwächt war. Zugleich lehnte der BGH aber eine – durch EU-Recht angemahnte – Aufweichung der Terrorstrafbarkeit ab. Dies sei allein Sache des Gesetzgebers, entschied der 3. Strafsenat.

Damit bleibt das Gericht bei seiner Rechtsprechung, wonach „terroristische Vereinigungen“ einen hohen Organisationsgrad aufweisen und zudem auf eine gewisse Dauer angelegt sein müssen – weil sich daraus die besondere Gefährlichkeit solcher Gruppen ergibt. Mitglieder ausländischer Terrorgruppen müssen zudem in der Regel im Ausland rekrutiert worden sein, stellte das Gericht klar.

Der BGH rügte mehrere juristische Fehler im OLG-Urteil vom Dezember 2007. Die Haftstrafen von sieben Jahren gegen den Hauptangeklagten Ibrahim Mohamed K. sowie von dreieinhalb Jahren gegen einen Helfer sind aber dennoch rechtskräftig. Nur im Fall eines zu sechs Jahren Haft verurteilten 35-jährigen Palästinensers ordnete der BGH an, dass die Strafhöhe neu festgesetzt werden muss.   Das OLG hatte den Mann als „Mitglied“ in einer ausländischen terroristischen Vereinigung eingestuft, laut BGH war er dagegen nur „Unterstützer“ – weil er nie bei Al Qaida in Afghanistan oder Pakistan war. „Eine allein in der Bundesrepublik ausgeübte Tätigkeit für die ausländische Vereinigung, selbst wenn sie äußerst intensiv ist, vermag eine Mitgliedschaft nicht zu begründen“, heißt es in der Entscheidung.

Das OLG hatte Zweifel, ob Al Qaida – nach dem Einmarsch der US-Truppen in Afghanistan organisatorisch wohl am Boden – seinerzeit überhaupt eine „terroristische Vereinigung“ nach striktem deutschen Recht gewesen sei. Deshalb griff das Gericht auf einen EU-Rahmenbeschluss von 2002 zurück, der bereits einen weniger ausgeprägten Organisationsgrad ausreichen lässt. Anders der BGH: Deutsche Gerichte dürften den Begriff nicht im Sinne des EU-Rechts umdeuten – das sei allein Sache des Gesetzgebers.

Keine Bedenken hatte der BGH gegen die Verwertung eines großen Lauschangriffs, mit dem die Angeklagten überführt worden waren. Die entsprechende Rechtsgrundlage war zwar nach einem kurz davor ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts eigentlich verfassungswidrig – allerdings habe Karlsruhe eine Frist zur Korrektur der Gesetze eingeräumt, so der BGH. dpa

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