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Politik: Bundeshaushalt 2001: Lust auf Enthaltsamkeit - Warum Sparen sexy ist, und wie Hans Eichel zur Kultfigur einer Bewegung wird

Was für Badehosen an gut gebauten Körpern gilt, gilt auch für den Haushalt. Bei beiden steigert der Minimalismus die Spannung, was sich denn wohl hinter den geschrumpften Hüllen verbergen mag.

Was für Badehosen an gut gebauten Körpern gilt, gilt auch für den Haushalt. Bei beiden steigert der Minimalismus die Spannung, was sich denn wohl hinter den geschrumpften Hüllen verbergen mag. Dabei regt sich niemand mehr über den knappen Zuschnitt auf - Tanga, Mini-String und Sparsamkeit sind gesellschaftsfähig. Die Gemüter haben sich noch vor einem Jahr heftig über weniger Geld für die Landwirte und die Gesundheitsvorsorge, für die Soldaten und die Entwicklungsländer erregt. Den zweiten Sparhaushalt in Folge kann Bundesfinanzminister Hans Eichel ohne den Protest der bürgerlichen Massen durchbringen.

Beim deutschen Mittelstand haben sich die gebetsmühlenartig vorgetragenen Worte von Eichel offensichtlich verfangen. Der Finanzminister wird nicht müde, seine Erkenntnisse über den Staatsetat bei jeder Gelegenheit zu verkünden: Jede vierte eingenommene Mark geht für Zinsen drauf. Die Deutschen sitzen auf 1,4 Billionen Mark Schulden. Dagegen hilft nur: Sparen.

Die Deutschen erkennen die Knappheit protestlos an. Denn Eichel hat gleichsam die Erinnerung an urdeutsche Tugenden geweckt, die trotz CDU-Regierung in Vergessenheit geraten waren. Wir erinnern uns: CSU-Finanzminister Waigel hatte während seiner Amtszeit über eine Billion Mark Schulden aufgehäuft. Er folgte der Kohlschen Fettlebe-Doktrin aus den achtziger Jahren, in denen die Union es schaffte, die Neuverschuldung von 350 Milliarden auf 490 Milliarden Mark zu vergrößern. Die konservative Regierung lebte schlicht über ihre Verhältnisse.

Nach der katholischen Jenseitsbezogenheit sind nun wieder protestantische Werte in das Finanzministerium eingezogen. Maßhalten und sparen, enthalten und sparen, arbeiten und sparen, predigt Eichel und trifft damit den Nerv der Zeit. Die Deutschen haben wieder Lust, sich zu enthalten. Das lässt sich nicht nur an sinkenden Geburtenzahlen ablesen. In der Internet-Generation ist die höchste Freude, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Da bleibt nur Zeit zum Kuscheln, nicht für Sex. Der Materialismus hat vorläufig gesiegt, und damit wird Eichel zur Lichtgestalt einer Bewegung. Doch nicht jeder Tanga hält, was er verspricht.

Ulrike Fokken

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