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Politik: Bundeskanzler ade

Von Stephan-Andreas Casdorff

Ist das eine Inszenierung! Der „Ich-will-haben-dass“-Kanzler macht noch einmal allen vor, wie’s geht. Die Leute sollen verdammt nochmal wissen, was sie an ihm verloren haben. Und wenigstens das geschieht bestimmt: Nicht nur bei den Strucks der Republik setzt Phantomschmerz ein, weil sie gerade merken, was ein Kartell der Mittelmäßigkeit anrichten kann, wenn es regiert.

Ja, diese ganzen griffigen Formulierungen der Schröder-Zeit kommen zurück, ausgerechnet jetzt, da die Frau regiert, die es nicht kann, wie er meint. Unverändert meint, nach ihrem ersten Jahr. Das passt auch in die Nach-Schröder-Zeit, denn sein Gefühl ist inzwischen verbreitet. Die CDU steht in Merkels Osten schlechter da als bei Kohls Abwahl. Nun, zum Erscheinen seines Buchs, kommt Schröder mit dem Stichwort „Entscheidungen“, ganz als wäre seine Abwahl noch nicht gewesen, als käme die Wahl erst noch. Was eine interessante Wendung ist: Kommt demnächst, nach den Landtagswahlen, die Wende, die weg von Merkel?

Na klar, das Buch bedient Vor-Urteile, so oder so. Da verklärt einer nach doch relativ kurzer Abstinenz seine Zeit selber zur Ära, beschreibt einer – wenn die Auszüge nicht täuschen, aber wie sollten sie, sie sind autorisierter O-Ton –, wie sehr ihn immer das Staatsmännische geleitet hat. Hier gerinnt nachträglich zur Strategie, was vorher doch nicht immer eine war. Alles eine Sache der Interpretation, und wenn man die selber leisten kann … Schröder will das Geschichtsbild prägen, bevor sich die Geschichte, sprich: ihre Schreiber, ein Bild gemacht hat. Führung von vorne könnte man das nennen. Und ist es nicht genau das, was die Mehrheit der Leute inzwischen erwartet, erhofft, ersehnt – Führung? Hier wächst sich etwas zum Bedürfnis aus, und Schröder kommt gerade richtig.

Richtig ist: Jeder Staatsmann hat das Recht, seine Ära zu verklären. Ein Vorwurf, das Buch geschrieben zu haben, ist das nicht (selbst wenn dahinter ökonomische Interessen stehen). Nur bleibt die Frage, ob Schröder Episode oder Ära war, und je länger die Frage offen ist, desto schneller beantwortet sie sich selbst. Der Mann weiß, was er will. Er will sich zum Beispiel als Suchenden, Nachdenklichen, aber doch am Ende Entscheidenden im Gedächtnis verewigen. Nach dem Motto: Der Basta-Mann ist besser. Zu Mystifizierung, zur Stilisierung taugt das allemal besser. Und zur Lesart, dass es die eigenen Leute waren, die ihn fällten, zwei Gewerkschafter, ein DGB-Chef, eine halbe Partei. Dass einer dem Ganzen ein Ende bereitet hat. Das liest sich doch, und warum damit auf Winkler oder Schöllgen oder Baring warten? Denn in dem „Trial and Error“, dem Schröder das Wort redet, diesem Beginnen und danach besser machen, „Nachbessern“ genannt, versteckt sich: Er war ein Großer auch im Zögern. Das steht in anderen Büchern. Basta ist Legende, auch. Die Agenda 2010, die seine Kanzlerschaft erst begründete, hat er adoptiert. Seine Idee war sie nicht.

Schröder, Gerhard, Bundeskanzler. Ade. Es waren turbulente Jahre. Er hat vieles gemacht, vieles machen lassen, manches anders, manches gut. Er hat das Amt aber nicht geprägt, sondern das Amt ihn. Geradezu erzogen hat es ihn, bis zu einem mit eigenem Format. Das erinnern selbst seine Gegner, weil seine Nachfolgerin das Amt auch nicht prägt und zugleich noch nicht wirkt, als präge das Amt sie. Der Unterschied? Vielleicht der: Ihre Gefolgsleute sagen, dass sie einen Plan hat. Eine eigene Agenda. Sie sagt es bloß keinem. Deswegen weiß auch keiner, ob sie gut ist.

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