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Politik: Bundeskanzler Schröder hält seine erste außenpolitische Grundsatzrede in Berlin

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat einen neuen Grundsatz für die deutsche Außenpolitik formuliert: "Aufgeklärtes Eigeninteresse". "Es darf und es wird kein Vergessen oder Verdrängen des Holocaust, des Massenmordes an den Juden und den Völkern Europas geben", sagte Schröder am Donnerstag in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede nach dem Umzug der Regierung nach Berlin bei der Einweihung des neuen Domizils der Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat einen neuen Grundsatz für die deutsche Außenpolitik formuliert: "Aufgeklärtes Eigeninteresse". "Es darf und es wird kein Vergessen oder Verdrängen des Holocaust, des Massenmordes an den Juden und den Völkern Europas geben", sagte Schröder am Donnerstag in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede nach dem Umzug der Regierung nach Berlin bei der Einweihung des neuen Domizils der Gesellschaft für Auswärtige Politik. Aber: "Außenpolitik ist Interessenpolitik. Jede Außenpolitik die behauptet, keine Interessen zu verfolgen, wäre reine Heuchelei."

Von Berlin aus müsse das Wesen deutscher Außenpolitik womöglich noch klarer als bisher erkennbar sein, führte der Kanzler aus. Die "Politik des aufgeklärten Eigeninteresses" beinhalte drei Prinzipien: erstens, die Interessen nicht zu leugnen, sondern zu Gehör zu bringen; zweitens, sie zu definieren und mit rationalen Argumenten zu vermitteln; drittens, die nationalen Interessen mit denen der Freunde Deutschlands abzugleichen, um gemeinsame Anliegen vertreten zu können.

Deutschland müsse "die Chancen einer noch intensiveren Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa entschlossen nutzen", betonte Schröder einen Tag vor der ersten Etappe einer dreiteiligen Reise, die ihn am heute und morgen nach Warschau führt, am 10. September zum Jahrestag der Öffnung der ungarischen Grenze für DDR-Flüchtlinge 1989 nach Budapest und am 30. September nach Prag. Zu Spekulationen über eine Relativierung des deutsch-französischen Verhältnisses sagte der Kanzler: "Frankreich und Deutschland bleiben die Schwungräder der europäischen Einigung."

Von Russland forderte Schröder eine "rasche und unbehinderte Aufklärung" der Vorwürfe, Hilfsgelder seien hinterzogen worden. Er nahm aber nicht zur Debatte Stellung, ob Moskau mit der anstehenden Auszahlung eines Milliardenkredits des Internationalen Währungsfonds rechnen dürfe und, wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Der Türkei stellte der Kanzler deutsche und europäische Unterstützung bei der Beseitigung der Erdbebenschäden und dem Wiederaufbau in Aussicht. Die Auszahlung der Finanzhilfen im Zusammenhang mit der Zollunion EU - Türkei sei vorrangig. Schröder sagte aber nichts zum Ehrgeiz der Türkei, offiziell als EU-Beitrittskandidat benannt zu werden.

"Die schwerste Entscheidung, die ich bisher zu treffen hatte", sei die über die deutsche Beteiligung am Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien gewesen, bekannte Schröder. Er wandte sich gegen jede Hervorhebung, dass damit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in einem Kampfeinsatz waren, und das auf dem Balkan. "Ich sehe es eher so, dass zum ersten Mal zumindest in diesem Jahrhundert deutsche Soldaten für wahrhaft europäische Werte im Kampfeinsatz waren."

Zum Abschluss bekräftigte Schröder Deutschlands Ehrgeiz, im UN-Sicherheitsrat eine stärkere Rolle zu spielen. Eine Reform der Vereinten Nationen sei überfällig. "Sollte der Kreis der Ständigen Mitglieder vergrößert werden, stünde auch Deutschland bereit, im Sicherheitsrat Verantwortung zu übernehmen."

cvm

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