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© dpa

Bundeskanzlerin gesucht: Angela Merkel: Auf einem anderen Stern

Steuerstrukturreform, Afghanistan, EU-Beitritt der Türkei und Erika Steinbach sind nur einige Streitthemen der schwarz-gelben Koalition. Alle äußern sich, nur eine nicht: Angela Merkel. Wo ist die Kanzlerin?

Wenigstens so viel ist sicher: Vermisstenanzeigen wurden noch nicht aufgegeben. Und aus ihrem Winterurlaub ist Bundeskanzlerin Angela Merkel auch zurückgekehrt. Schließlich hat sie am vergangenen Montag im Bundeskanzleramt die Sternsinger empfangen. Das war es dann aber auch. Mehr öffentliche Bundeskanzlerin gibt es im Moment nicht. Das ist gut für die Sternsinger, wertet es ihren Auftritt doch ungemein auf. Doch für das Koalitionsklima ist es nicht von Vorteil. CSU und FDP streiten sich. CDU und CSU sprechen bereits von Neustart, und das Treffen der Parteichefs am übernächsten Sonntag ist von Christdemokraten auch schon als „Krisengespräch“ bezeichnet worden (Wolfgang Bosbach). Nur Merkel ist nicht zu sehen und nicht zu hören. Selbst die Tatsache, dass sie keinen Neustart der schwarz-gelben Koalition wolle, hat sie über einen Sprecher ausrichten lassen.

Dabei hat sie bei ihrem bisher einzigen Termin im neuen Jahr selbst gesagt: „In bestimmter Weise habe ich auch ’was zu sagen, aber ich kann viel sagen, wenn nicht andere mitmachen und wenn wir nicht bestimmte Dinge auch gemeinsam unternehmen.“ Daran hapert es im Moment in doppelter Hinsicht. Merkel sagt nichts und von Gemeinsamkeiten ist in der Koalition nicht viel zu spüren.

Ob ein Machtwort oder zumindest eine Positionierung Merkels zu einem der Streitthemen den Zwist beenden würde, ist ungewiss. Aber es ist nicht nur eine Frage des politischen Stils, ob sich Merkel nun äußert oder nicht. Sie hat auch eine im Grundgesetz (GG) festgeschriebene Aufgabe, die damit einhergeht: die Richtlinienkompetenz. In Artikel 65 ist diese geregelt. Dort heißt es im ersten Satz: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.“ Natürlich gehen die Meinungen darüber, was richtlinienfähig ist und was nicht, auseinander. Aber viele Kommentatoren des Grundgesetzes sind sich einig, dass gerade wenn es um Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag geht, die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin gefragt ist. Dieser Umstand wäre in puncto Steuerstreit allemal gegeben.

Wege, diese Kompetenz zu zeigen, hätte Merkel genug. Es muss ja nicht gleich ein realer Auftritt sein. Es könnte erst mal virtuell, im Netz sein. Doch auch da – Fehlanzeige. Auf ihrer Homepage ist am Freitagnachmittag der Besuch der Sternsinger das Aktuellste, was es von Merkel zu erfahren gibt. Die Rubrik „Die Woche der Bundeskanzlerin in Bildern“ beginnt am 15.12.2009 (Empfang der Vertreter pazifischer Inselstaaten) und endet am 18.12.2009 (Abendessen während des Klimagipfels in Kopenhagen). Immerhin: Zwischen Sternsingern und Abendessen in Kopenhagen liegt noch die Neujahrsansprache als letzte Botschaft Merkels in bewegten Bildern.

Dann vielleicht Facebook. Internet in Echtzeit, dort, wo nur eines zählt: Aktualität und viele Freunde. Aber: „Angela Merkel freute sich über den Besuch von 108 Sternsingern im Kanzleramt gestern.“ So steht es dort seit Dienstag als neueste Nachricht – immerhin mit dem Verweis, dass dies 182 Personen gefällt. Horst Seehofer oder Guido Westerwelle sind darunter nicht zu finden.

Die Rufe nach Merkel werden immer lauter. Selbst die „Bild“-Zeitung, sonst eher moderat im Umgang mit Merkel, beklagt das Schweigen der Regierungschefin und sagt: „Die Kanzlerin ist gefragt“. Sicher kann man sich wohl nur sein, dass zumindest auf einem Kommunikationsweg der Absender noch Merkel oder „Mutti“, wie Westerwelle sie mal nannte, heißt: SMS. Das ist Merkels wichtigste Kommunikationswaffe. Nur wo sie selbst derzeit ist, weiß keiner so genau.

Ab kommender Woche ist wieder mit etwas mehr Angela Merkel zu rechnen. Gleich am Montag geht es los mit einer Festveranstaltung zum „Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt“ im Museum für Naturkunde Berlin. Dienstag Neujahrsempfang bei Bundespräsident Horst Köhler im Schloss Bellevue und Mittwoch dann Kabinettssitzung. Ab Donnerstag tagt der CDU-Bundesvorstand und Sonntag dann das Krisen- Abendessen im Kanzleramt mit Westerwelle und Seehofer. Zumindest bewegte Bilder der Bundeskanzlerin dürfte es dann wieder geben.

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