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Bundespräsident in der Kritik: Urlaubsreisen werden zur Staatsaffäre

Unternehmer als enge Freunde – das beschert Christian Wulff jetzt Ärger. Welche Vorteile hat er in Anspruch genommen?

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Für den Bundespräsidenten hat die Adventszeit derzeit wahrlich nichts Besinnliches. Oder ist es vielleicht gerade das, was Christian Wulff jetzt besonders nötig hat – sich zu besinnen? Die Umstände, unter denen er im Jahr 2008 einen Privatkredit über eine halbe Million Euro bekam, sind noch immer Gegenstand öffentlicher Erörterung. Nun lässt er seinen Anwalt eine Liste mit Urlaubsreisen veröffentlichen. Sie soll dokumentieren, wann und wie oft Wulff bei befreundeten Unternehmern zu Gast war.

Worüber gibt die Urlaubsliste Auskunft?

Wulffs Anwalt Gernot Lehr aus Bonn reagierte mit der Veröffentlichung der Liste nach eigenen Angaben auf entsprechende Medienanfragen. „Diese Transparenz schließt an die Offenlegung der Details zu einem Privatkredit für den Erwerb seines Eigenheims in Burgwedel an“, erklärt Lehr. Wulff habe während seiner Amtszeit als Ministerpräsident „seine Urlaube in der Regel in Hotels und Ferienanlagen gebucht. Gelegentlich hat er seine Ferien abgeschieden von der Öffentlichkeit bei befreundeten Familien verbracht. Diese Urlaubsaufenthalte, die überwiegend gemeinsam mit den jeweiligen langjährigen Freunden stattfanden, hatten keinen Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern. Dieses Verhalten steht uneingeschränkt in Einklang mit den Regelungen des niedersächsischen Ministergesetzes“, heißt es in der Mitteilung des Anwalts.

In den Jahren 2003 und 2004 war die Familie Wulff demzufolge jeweils einmal Gast der Familie Edith und Egon Geerkens in deren privaten Räumlichkeiten in Spanien. Der Privatkredit des Paares an Wulff hatte die Affäre kürzlich ins Rollen gebracht. 2008 waren die Wulffs zu Gast bei dem Ehepaar Ingrid und Wolf-Dieter Baumgartl in deren privaten Räumlichkeiten in Italien, heißt es. Bei Baumgartl handelt es sich um den Aufsichtsratschef der Talanx-Versicherungsgruppe. 2008 und 2009 hätten sich die Wulffs bei dem Ehepaar Angela Solaro und Volker Meyer in deren privaten Räumlichkeiten auf Norderney aufgehalten. Diese besitzen auf der Nordseeinsel ein Süßwarenspezialitätengeschäft und andere Strandläden. Zum Jahreswechsel 2009/2010 sei das Ehepaar Wulff erneut zu Gast bei der Familie Edith und Egon Geerkens gewesen, diesmal in deren Anwesen Coral Springs in Florida. Weiter wird mitgeteilt: „Herr Wulff hat in seiner Amtszeit als Bundespräsident keine Urlaube in privaten Räumlichkeiten von Freunden verbracht. Bekannt ist, dass er im Jahr 2010 ein Appartement in der Ferienanlage von Herrn Maschmeyer auf Mallorca gemietet hatte.“ Die enge Freundschaft zu dem Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisterunternehmens AWD, Carsten Maschmeyer, hatte Wulff schon in der Vergangenheit in die Schlagzeilen gebracht.

Die Zinsersparnis dürfte im fünfstelligen Bereich liegen.

Hat Wulff im Jahr 2008 tatsächlich so stark von dem Privatkredit des Ehepaars Geerkens profitiert?

Im Herbst 2008, als Wulff das Geld benötigte, waren die Bedingungen für Bauherren nicht die günstigsten. Nach der Pleite der Bank Lehman Brothers achteten die Kreditgeber verstärkt auf Sicherheiten, und die Guthabenzinsen waren im Keller. Der durchschnittliche Kreditzins für Baudarlehen mit bis zu fünfjähriger Laufzeit betrug laut Bundesbank knapp 5,5 Prozent. Und ohne dingliche Sicherung, also etwa einen Grundbucheintrag, hätte er einen derart hohen Kredit wahrscheinlich gar nicht bekommen.

Hinzu kommt, dass der damals frisch geschiedene Ministerpräsident mehr Geld haben wollte, als er für seinen Hauskauf benötigte. Das Objekt kostete 415 000 Euro, der Darlehensvertrag der Wulffs wurde jedoch über 500 000 Euro unterzeichnet. Normalerweise ist es andersherum: Hauskäufer bekommen nur einen günstigen Kredit, wenn sie einen Teil des Finanzbedarfs über Eigenkapital bestreiten können. In Wulffs Fall wären Experten zufolge Risikoaufschläge von bis zu eineinhalb Prozent fällig gewesen. Wulff hätte folglich selbst unter günstigen Bedingungen einen Zinssatz von gut 6,5 Prozent zu verkraften gehabt – statt der vier Prozent, die ihm die Geerkens gewährten. Auf diese Weise hätte er, wenn er den Kredit nicht im Februar 2010 bei der BW-Bank abgelöst hätte, mehr als 60 000 Euro gespart. Die tatsächlich ersparte Summe liegt auch schon im fünfstelligen Bereich.

Und geldwert wären auch drei weitere Sonderbedingungen: Erstens verzichtete sein privater Kreditgeber auf den üblichen Tilgungsanteil, Wulff hätte über fünf Jahre nur Zinsen zahlen müssen. Zweitens hatte der Geerkens-Kredit keine Zweckbindung. Gewöhnlich ist der Zins günstiger, wenn das Geld ausschließlich für Wohnbauzwecke verwendet wird. Und drittens durfte er den Kredit nach Gusto früher zurückzahlen. Im Normalfall lassen sich Banken auch großzügige Sondertilgungsvereinbarungen bezahlen.

Warum verteidigt die CDU „ihren“ Präsidenten nicht engagierter?

Während die Opposition den Druck auf Wulff mit jedem Tag erhöht, ist es in der schwarz-gelben Koalition auffällig still. Vor allem in der CDU, der ja der Bundespräsident entstammt, beäugt man die Pegelstände der öffentlichen Erregung wie das Kaninchen die Schlange. Keiner will sich öffentlich äußern, und immer wieder ist die Befürchtung zu hören, dass die Affäre in der Weihnachtswoche mangels anderer Themen noch stärker hochkochen könnte. Man wolle dem Präsidenten nicht in den Rücken fallen, könne ihn „da aber auch nicht herausholen“, sagen ansonsten nicht gerade als mutlos geltende Funktionäre.

Zur Verunsicherung trägt bei, dass Wulff mit seiner Verteidigung aus der Sicht vieler alles andere als geschickt agiert. Und dass auch die Bundeskanzlerin die weitere Entwicklung der Causa Wulff stoisch abzuwarten scheint. Ihre Einlassung, die Arbeit des Bundespräsidenten zu schätzen und zu würdigen, ist mehr pflichtschuldiger Allgemeinplatz als hilfreiche Einmischung. Als bedrohlich empfinden sie es im Unionslager, dass anders als in der Guttenberg-Affäre diesmal auch die Springer-Medien überaus kritisch berichten. Und etliche rechtfertigen ihr Schweigen damit, dass zu viel Engagement für den angeschlagenen Präsidenten erstens womöglich verfrüht sei („Man weiß ja nicht, was noch kommt“) und zweitens Wulffs Gegner nur noch stärker reizen würde.

Die wenigen Verteidiger des Präsidenten, denen das egal ist, kommen aus CSU und FDP. Alexander Dobrindt zum Beispiel, Generalsekretär der Christsozialen, der die Sachlage als längst „aufgeklärt“ darstellt und den Kritikern unterstellt, es nur auf das Amt des Bundespräsidenten abgesehen zu haben. Oder Jürgen Koppelin, FDP-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter für den Etat des Bundespräsidenten im Haushaltsausschuss, der von einer „Kampagne“ spricht, die in ihrer Überzogenheit das Präsidentenamt beschädige. Entscheidend sei doch, ob Wulffs Geldgeber durch die Kreditvergabe Vorteile erlangt habe, sagte Koppelin dem Tagesspiegel. Dies könne er derzeit nicht erkennen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass Wulff den Unternehmer Geerkens seit frühester Jugend kenne und es sich „nicht um irgendeinen Wirtschaftsunternehmer handelt“. Die Kritiker sollten sich an Johannes Rau erinnern, den man als Bundespräsidenten wegen seiner früheren Verbindungen zur WestLB zu Beginn seiner Amtszeit ebenfalls heftig kritisiert habe. „Und am Ende“, sagte Koppelin, „war Rau kein schlechter Präsident.“

Übrigens gehörte seinerzeit der damalige CDU-Vize Christian Wulff zu den schärfsten Kritikern des Bundespräsidenten Rau: „Es ist tragisch, dass Deutschland in dieser schwierigen Zeit keinen unbefangenen Bundespräsidenten hat, der seine Stimme mit Autorität erheben kann“, sagte er in einem Interview.

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