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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag beim Demokratie-Forum im Schloss Bellevue.

© Wolfgang Kumm/dpa

Bundespräsident: Steinmeier verteidigt sein Iran-Telegramm

Musste das Staatsoberhaupt dem Iran zum Jahrestag der iranischen Revolution gratulieren? Nun hat sich Steinmeier erklärt – und hörte harte Kritik.

Von Hans Monath

Den kleinen Eklat im großen Saal des Bundespräsidialamtes hatte Hamed Abdel-Samad offenbar sorgsam vorbereitet. Kurz vor eins am Dienstagmittag meldete sich der deutsche Islamkritiker in der Veranstaltungsreihe „Forum Bellevue. Zukunft der Demokratie“ zu Wort und wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch ermuntert, seinen Beitrag zum Thema „Alles Glaubenssache?“ dem Publikum zu Gehör zu bringen. Doch Abdel-Samad begnügte sich nicht damit, eindringlich vor den Machtstrukturen des politischen Islam in Deutschland zu warnen.

Von seinem Platz in der zweiten Reihe, nur wenige Meter von Steinmeiers Stuhl auf dem Podium entfernt, schleuderte der Gast dem deutschen Staatsoberhaupt abrupt seine Kritik an dessen Glückwunsch-Telegramm zum iranischen Nationalfeiertag entgegen. "Nicht in meinem Namen, nicht in meinem Namen" sprach er und befand kategorisch: "Sie haben die falschen Signale gesendet an das Regime im Iran." Das dürfe sich ermutigt fühlen. Er sende das falsche Signal an die iranische Opposition und an die eigenen Leute in Deutschland, bei denen die Botschaft ankomme, "dass wir unsere eigenen Werte nicht erst nehmen".

Der Bundespräsident ging nur mit zwei Sätzen auf die Fundamentalkritik ein. "Ich finde es schade, dass Sie meiner Rede offenbar nicht zugehört haben. Sonst hätten sie diese Ausführungen nicht machen können", sagte er – und rief dann den nächsten Experten zum Thema Religion im Publikum auf.

Tatsächlich war Steinmeier in seiner Begrüßungsansprache zum Verhältnis von Religion und Demokratie offensiv auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Glückwunschtelegramm an Teheran eingegangen und hatte Verständnis für die Verstörung gezeigt, die es bei manchen ausgelöst hatte. Nachdem vor wenigen Tagen zuerst die "Bild"-Zeitung über die Glückwünsche an die iranische Führung berichtet und tagelang nach neuen Zeugen der Anklage gefahndet hatte, kritisierte am Montag der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, das Telegramm. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde Steinmeier offensichtlich klar, dass er die Flucht nach vorne antreten musste.

Für die deutsche Außenpolitik gelte es zuallererst, das Existenzrecht Israels zu schützen und zu verteidigen, erklärte der frühere Außenminister und heutige Bundespräsident: "Das ist unsere historische Verantwortung, und das bleibt unsere oberste politische Maxime!" Am Wochenende hätten ihm Bürger geschrieben und gefragt, wie diese Maxime vereinbar sei mit dem Telegramm zum Nationalfeiertag im Iran, einem Land mit einem autoritären Regime, das im Namen der Religion Menschenrechte mit Füßen trete und immer wieder die Existenzrecht Israels angreife. Was Steinmeier nicht sagte: Das Kommentarecho war auch verheerend.

Auch Gauck gratulierte dem Iran

"Ich verstehe die Frage, ich verstehe sie sogar sehr gut", versicherte Steinmeier. Sie habe ihn beim Umgang mit dem Iran buchstäblich über Jahrzehnte in seinem politischen Leben begleitet, sagte der Politiker, der fast acht Jahre lang das Außenministerium geleitet hatte. Ausdrücklich stellte sich Steinmeier hinter die Anstrengungen der Bundesregierung, das Atomabkommen mit dem Iran gegen US-Druck zu verteidigen. Es sei falsch, das Druckmittel der Sanktionen "einfach aus der Hand zu geben und den Iran in weitere Isolation und Radikalisierung hineinzutreiben".

Beides sei nötig – Bereitschaft zu Kritik und das Bemühen, den Gesprächsfaden nie völlig abreißen zu lassen. Dieses Bemühen spiegle sich auch in "jahrzehntelangen diplomatischen Gepflogenheiten wider", zu der auch ein "höflich formuliertes Glückwunschschreiben" zum Nationalfeiertag gehöre. Dessen ungeachtet werde er weiterhin Kritik am Iran üben, versicherte der Bundespräsident – und erinnerte auch noch daran, dass er zu seiner Veranstaltungsreihe "Forum Bellevue" auch schon Salman Rushdie eingeladen hatte, gegen den der Iran früher eine Fatwa wegen Blasphemie verhängte.

Nur er bekam als iranischer Präsident meist kein Glückwunschtelegramm des Bundespräsidenten zum Nationalfeiertag: Mahmud Ahmadinedschad.
Nur er bekam als iranischer Präsident meist kein Glückwunschtelegramm des Bundespräsidenten zum Nationalfeiertag: Mahmud Ahmadinedschad.

© dpa

Es sei seit den 80er-Jahren Staatspraxis, dass der Bundespräsident auch autoritären Staatschefs zum Nationalfeiertag gratuliere, hatte es schon zuvor aus dem Präsidialamt geheißen. Am Dienstag veröffentlichte das Präsidialamt Glückwunschschreiben von Bundespräsidenten seit Karl Carstens zum iranischen Nationalfeiertag. Auch der als in Menschenrechtsfragen besonders penibel geltende Präsident Joachim Gauck hatte in ähnlicher Diktion wie Steinmeier ("auch im Namen meiner Landsleute") geschrieben. Nur in der Amtszeit des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad war die Praxis nach dessen Radikalisierung im Amt von 2007 bis 2013 ausgesetzt worden.

Gegen risikoloses Einfordern von Menschenrechten

Steinmeier verwies in seiner Rede auf seine Erfahrung als Außenminister. In seinen zwei Amtszeiten (2005 bis 2009 und 2013 bis 2017) hatte sich der damalige SPD-Politiker mehrfach mit Kritik an seinem Umgang mit Menschenrechten auseinandersetzen müssen. Unter anderem hatte er sich 2011 kritisch zu einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Dalai Lama im Kanzleramt geäußert und vor negativen Folgen auf das Verhältnis zu China gewarnt.

Gelenkt war Steinmeier damals von der Überzeugung, er könne bei Verzicht auf scharfe Töne durch beharrliche diplomatische Arbeit Fortschritte erreichen. Das seiner Meinung nach risikolose laute Einfordern von Menschenrechten durch deutsche Politiker, so glaubte er, bringe zwar gute Kommentare in der Presse, erschwere aber Verhandlungen.

Nach Steinmeiers Rede im Schloss Bellevue machte der Zentralrat der Juden schnell deutlich, dass er kein Zerwürfnis sieht. Es sei "sehr erfreulich", dass Steinmeier die verheerende Menschenrechtslage und die Bedrohung in der Region durch das Land deutlich artikuliert habe, sagte Zentralrats-Chef Schuster.

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