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Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen trat am Samstag vor die Presse.

© Leonhard Foeger/REUTERS

Bundespräsidentenwahl in Österreich: “Wir werden die Klebstoffkrise lösen”

Auch Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen rechnet mit einer Verschiebung der Wahl - weil die Kuverts für die Briefwahl nicht richtig kleben.

Die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten nimmt immer groteskere Züge an. Vieles deutet darauf hin, dass die Österreicher noch länger auf einen neuen Bundespräsident warten müssen - wegen eines Klebstoffproblems. Eigentlich hätte an diesem Wochenende der Wahlkampf für den am 2. Oktober stattfindenden Urnengang beginnen sollen. Am Montag will der Innenminister bekannt geben, ob die Wiederholungsstichwahl verschoben wird, die Wahrscheinlichkeit ist laut Insidern extrem hoch.

Auch Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen geht von einer Verschiebung aus. „Ich glaube nicht, dass der Termin am 2. Oktober zu halten ist“, sagte er bei einer Pressekonferenz am Samstag und bleibt doch zuversichtlich: “Wir werden die Klebstoffkrise lösen”. Van der Bellen hatte bei der Stichwahl im Mai gewonnen, bevor sie vom Verfassungsgericht wegen Formfehlern annulliert wurde.

Die Sache mit dem Klebstoff

Unmittelbare Schuld an der aktuellen Groteske hat ein Produktionsfehler der amtlichen Kuverts, in denen die unterschriebenen Stimmen der Briefwähler an die Wahlbehörde zurückgesandt werden müssen: Bei vielen geht die Klebespur auf, sie sind also nicht sicher verschließbar. Eine eigenhändige Verklebung ist wegen des Wahlgeheimnisses verboten, weil theoretisch ein nicht nachweisbarer Austausch der abgegebenen Stimme möglich wäre.

Wie vertrackt die Situation ist, zeigen erst die Details: Anfangs wurden etwa 1000 fehlerhafte Kuverts von Briefwählern aus der von Wien entferntesten Landeshauptstadt Bregenz gemeldet. Die Wahlbehörde im Innenministerium glaubte nach hektischen Untersuchungen einen schlampigen Transport der Kuverts in einem sommerlich zu heißen Lieferwagen als Ursache gefunden zu haben.

Briefwahl entscheidend

Doch in den letzten Tagen zeigte sich, dass die Klebestreifen sich überall auflösen können und das auch noch zeitverzögert, also spät nach dem Zukleben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit enorm, dass wahlentscheidend viele Stimmen ungültig wären: Bei der annullierten Stichwahl Ende Mai waren bei 6,3 Millionen Wahlberechtigten etwa ein Zehntel als Briefwahl abgegeben worden und hatten über die Wahl entschieden. Der Vorsprung des grünen Kandidaten Alexander van der Bellen gegenüber dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer lag bei nur 30.000 Stimmen. Die FPÖ hatte die Wahl damals wegen Fehler der Beisitzer angefochten, das Verfassungsgericht hatte sie daraufhin annulliert.

Durch die aktuelle Situation wäre eine neuerliche Anfechtung der Stichwahl beim Verfassungsgericht höchst chancenreich, es droht schon vorher die Wiederholung der Wiederholung der Wahl. Um dieser historisch einmaligen Blamage zu entgehen, wird Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag in Absprache mit der ganzen Regierung wohl die Verschiebung als kleineres Übel verkünden. Bis Donnerstag hatte er das noch verfassungsjuristisch ausgeschlossen. Schon beim Verfahren um die erste Annullierung hatte der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der unterlegenen FPÖ viele unzulässige Schlampereien im Wahlverfahren festgestellt, allerdings keine Anzeichen auf vorsätzlichen Wahlbetrug. 

Streit um die Wählerlisten

Als frühester Ersatztermin käme wegen der erneuten Vorarbeiten und Fristen einer in der zweiten November-Hälfte in Frage. Wenn zuvor noch größere Änderungen vom Parlament beschlossen werden, ist die Wahl eher im nächsten Jahr wahrscheinlich. Eine der offenen Fragen betrifft die Wählerlisten: Jede Woche sterben statistisch 1600 Wähler, und es kommen in etwa so viele Junge nach, die inzwischen wahlberechtigt wären. Bisher aber lautet die Verfassungsregel, dass bei der Wiederholung nur wählen darf, wer beim ersten Mal dabei war.

Für die Aktualisierung der Wählerlisten scheinen nun alle Parteien offen zu sein. Die FPÖ würde ohnehin am liebsten die Briefwahl abschaffen: Deren überdurchschnittlich mobile Nutzer hatten im Mai den Ausschlag zugunsten van der Bellens gegeben, nachdem die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen schon den knappen Sieg Hofers angekündigt hatten.      

Österreichische Medien: “Republik Banane”

Der ganze Schlamassel bringt zynische Kommentare in den österreichischen Medien. Die “Presse”, die als erste von der drohenden Verschiebung berichtete, spricht von “Republik Banane” und der Umbenennung von Österreich in “Schilda”, ähnlich harsch reagieren andere Zeitungen. Einige fordern den Rücktritt des erst seit fünf Monaten amtierenden Innenministers, der bisher nur von “technischen Unzulänglichkeiten” sprach. Van der Bellen nahm den Innenminister am Samstag in Schutz: "Er kann nichts für Probleme, die vorher nie aufgetaucht sind."

Er ließ aber verlauten, dass der Staat die auf 2,5 Millionen Euro geschätzten Kosten einer Verschiebung von der Druckerei der Kuverts zurückfordern würde. Die hat bisher keinerlei Stellungnahme abgegeben, Presserecherchen sprechen von schlechtem Betriebsklima wegen vieler Einsparungen. Das Bundeskriminalamt ermittelt, ob es beim Produktionsfehler Vorsatz gegeben hat.

Die beiden Kandidaten und ihre Parteien halten sich noch mit Kommentaren zurück. Van der Bellen hat am Freitag seinen Wahlkampfauftakt abgesagt, Hofer den seinen dagegen nicht. Die Tendenz seiner FPÖ könnte jetzt dahin gehen, diese Wahl-Groteske als weiteren Beweis für das Versagen der Großen Koalition und der Elite insgesamt auszuschlachten, die immer mehr und offener van der Bellen unterstützt. 

Reinhard Frauscher

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