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Bundespräsidentenwahl: Wie schlugen sich andere ostdeutsche Kandidaten?

Joachim Gauck ist nicht der erste Ostdeutsche, der für das höchste Staatsamt vorgeschlagen wird. Doch seine Vorgänger hatten wenig Glück.

Von Matthias Meisner

Er war der Wunschkandidat von Helmut Kohl. Der CDU-Kanzler unternahm den ersten Versuch, einen Ostdeutschen ins höchste Staatsamt zu bugsieren, seinen Parteifreund Steffen Heitmann, damals Justizminister in Sachsen. Das ging gründlich schief – obwohl Kohl seinen „wertkonservativen“ Bewerber verteidigte, so gut es ging. Der selbst sagte, Held oder Widerstandskämpfer sei er nie gewesen. Ein wenig erinnert das an die aktuelle Diskussion, ob Joachim Gauck nun Bürgerrechtler war oder nicht. Hinter den Kulissen, so kolportierte damals der „Spiegel“, habe Amtsinhaber Richard von Weizsäcker den früheren Kirchenjuristen Heitmann als „unbescholtenen, konturenlosen Nischen-Ossi“ abqualifiziert. Immer neue Vorwürfe machten die Runde, sein unnachgiebiges Vorgehen gegen alte SED- und Stasi-Seilschaften ging vielen zu weit. So hatte Heitmann es als verständlich bezeichnet, dass die Kinder ehemaliger Spitzel bedroht werden. „Das ist die Kehrseite der Medaille, mit der diese Leute leben müssen.“ Die Kritik wurde heftiger, an die Spitze der innerparteilichen Kritiker stellten sich Weizsäckers Vertrauter Friedbert Pflüger und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, was Kohl „armselig“ nannte. Andere in der Union witterten eine Kampagne, Sachsens damaliger CDU-Fraktionschef Herbert Goliasch schimpfte über „Pissoir- Journalismus“. Entnervt zog die Union Heitmann zurück – Präsident wurde Roman Herzog, wieder ein Westdeutscher. Fortan gab es aus Ostdeutschland dann erst einmal nur Zählkandidaten für das Bundespräsidentenamt. Als Gegenkandidat zu Herzog benannten Bündnis 90/Die Grünen den Molekularbiologen und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich laut SPD eine „Kandidatur quer zu jeglicher Parteipolitik“. Er bekam nur fünf Prozent der Stimmen. Reich bedankte sich, „zu Gast in der Bundesrepublik Deutschland“ gewesen zu sein, „höflich und diplomatisch begrüßt, weil alle sich freuten, dass auch einer aus Ostdeutschland dabei war, aber eben als Gast“. In die Politik wollte er sich nicht mehr einmischen. 1999 war die Wissenschaftlerin Dagmar Schipanski, zu dieser Zeit noch parteilos, die ostdeutsche Quotenfrau. Nach einem Achtungserfolg gegen den Favoriten Johannes Rau wurde sie von der CDU belohnt mit dem Amt der Wissenschaftsministerin in Thüringen. 2009 verlor sie ihr Landtagsmandat. Sie sorgte vor der Bundesversammlung 2010 für ein wenig Aufsehen, als sie in ihrer Heimatzeitung Gauck als „einen der wichtigsten Gestalter der deutschen Einheit“ lobte, „in jeder Hinsicht“ für das Amt geeignet. Christian Wulff galt für sie vor zwei Jahren als „Berufspolitiker mit Charisma“. Die Wortmeldung nervte die Parteifreunde. Wie Schipanski berichtete, wurde sie anschließend von der Liste der Wahlleute in der Bundesversammlung gestrichen, „zu Gunsten eines sehr ehrenwerten Landrates aus Südthüringen“. Wulff setzte sich 2010 gegen den rot-grünen Kandidaten Gauck durch. Nur einmal, 2009, nominierte die Linkspartei einen ostdeutschen Bewerber für das höchste Staatsamt: Peter Sodann aus Halle, besser bekannt als Tatort-Kommissar Ehrlicher. Er fiel mit Sprüchen auf, bei denen sogar die Genossen, die ihn aufgestellt hatten, zusammenzuckten. So sagte er, dass er Josef Ackermann von der Deutschen Bank gerne mal verhaften wolle. Oder, dass Deutschland keine richtige Demokratie habe. Wäre er für einen ganzen Staat verantwortlich, dann gelte: „Das Land gehört niemandem und die Früchte jedem.“ Darauf käme Gauck nicht.

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