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Kind spielt mit einem Abakus

© dpa

Bundesprogramm für Betriebskindergärten schlägt fehl: Aus 7290 Euro wird nur ein Kitaplatz

Das von Kristina Schröder geführte Bundesfamilienministerium hat sich mit der Förderung von Betriebskindergärten viel vorgenommen. Nach fünf Jahren erweist sich: Herausgekommen ist wenig. Die Linke nennt das Bundesprogramm eine "Luftnummer". Schröders Staatssekretär Hermann Kues wirbt dennoch für Betriebskitas.

Von Matthias Meisner

An diesem Donnerstag will Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vor der Presse in Berlin über den Stand des Kita-Ausbaus berichten. Zuvor aber zerpflückt die Opposition einen wichtigen Teil ihrer Aktivitäten in diesem Bereich. Denn mit der von Schröder forcierten Förderung von Betriebskitas hat es nicht so geklappt, wie die Ministerin sich das vorgenommen hat. Aus einer dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort des Familienministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken geht hervor, dass für das Förderprogramm "Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung" seit 2009 fast zwölf Millionen Euro ausgegeben worden sind. Allerdings wurden in fünf Jahren aus dem Programm gerade mal 1590 Kinderbetreuungsplätze gefördert. Insgesamt gibt es nach Angaben der Linken in deutschen Firmen 26.500 betriebliche Betreuungsplätze, nur 10.400 für ihnen für Kinder im Alter unter drei Jahren.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Diana Golze sagte, trotz der Millionen-Förderung aus dem Hause Schröder sei das Interesse der privaten Wirtschaft an betrieblichen Kitas "überaus mager". Der von der CDU-Ministerin gelobte Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung bleibe "eine Luftnummer". Der Umfang der betrieblichen Kinderbetreuung sei mit 1,3 Prozent gemessen am Gesamtbetreuungsbedarf verschwindend gering, ergänzte die kinder- und jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

Magere Bilanz: 44 Betriebskitaplätze für Berlin, sechs für Brandenburg

Golze rügte, dass die Fördermittel aus dem Programm "Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung" regional sehr ungleich verteilt worden seien. Sie sprach von einer "extremen Benachteiligung der östlichen Bundesländer". Nach einer vom Ministerium vorgelegten Statistik liegt Nordrhein-Westfalen mit 510 geförderten Kinderbetreuungsplätzen an der Spitze, gefolgt von Niedersachsen (257), Hessen (230) und Baden-Württemberg (149). In Berlin wurden gerade mal 44 neue Kita-Plätze in Betrieben geschaffen, in Brandenburg sogar nur sechs. Völlig leer gingen Hamburg, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern aus.

Lange Vorlaufzeiten

Schröders Staatssekretär Hermann Kues (CDU) warb in seiner Antwort an die Linke dennoch weiter für Betriebskitas. Die betrieblich unterstützte Kinderbetreuung könne "die großen Anstrengungen des Staates" ergänzen. Gerade die Unternehmen würden in besonderem Maße davon profitieren, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schnell nach einer Familienauszeit wieder in den Beruf zurückkehren könnten. Kues gab zu, die Erfahrungen aus dem Bundesprogramm hätten gezeigt, "dass die Einrichtung betrieblich unterstützter Kinderbetreuungsangebote ein hohes Maß an Engagement von Unternehmen erfordert." Offenbar hapert es, denn: "Neue Betreuungsprojekte haben häufig lange Vorlaufzeiten von der Entscheidung eines Unternehmens, eine betriebliche Kinderbetreuung einzurichten, bis zum Start der Betreuung." Kues versicherte jedoch, das Interesse von Unternehmen an betrieblichen Kinderbetreuungsangeboten habe "erkennbar zugenommen".

Risiko Rechtsanspruch

Schon vor einigen Wochen hatte die Initiative Beruf und Familie die Sorge geäußert, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab 1. August ein zusätzliches Risiko berge. Die von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung getragene Initiative befürchtet, die Untätigkeit der Wirtschaft könnte befördert werden. Unternehmen hätten dank der Betreuungsgarantie für Kinder unter drei Jahren ein neues Argument, weiterhin die Hände in
den Schoß legen, argumentiert die von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung getragene Initiative. Der Geschäftsführer der Initiative Beruf und Familie, Stefan Becker, sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: "Der Rechtsanspruch birgt die Gefahr, dass sich noch mehr Arbeitgeber auf die Argumentation zurückziehen: Warum soll ich aktiv werden?“ Bisher seien nur rund ein Prozent der Kitas in
Deutschland betriebliche Einrichtungen - nach seinen Angaben 580.

Drei Wochen vor dem Start des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz fehlen nach Angaben des Deutschen Städtetages bundesweit noch mehr als 100000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Es gebe aber trotzdem keine
Anzeichen für eine Klagewelle, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Stephan Articus, der "Südwest-Presse". Er verteidigte die Kommunen gegen den Vorwurf, zu lange mit den nötigen Investitionen gezögert zu haben. Im Westen hätten viele Städte und Regionen mit einem Versorgungsanteil von sechs Prozent begonnen. In manchen Groß- und insbesondere auch Universitätsstädten liege der Bedarf aber
bei über 50 Prozent der Kinder. „Über 300000 Plätze allein in den Städten waren ein unglaublicher finanzieller Aufwand“, sagte Articus.

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