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Bundesrat: Verhandeln bis zur Mehrheit

Nach der schwarz-gelben Niederlage in NRW hat die Union die Mehrheit im Bundesrat verloren. Damit sind einige Großprojekte unmöglich geworden.

Hoffnung bei den einen, Nervosität bei den anderen – bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen ging es am Sonntag auch um die Mehrheit im Bundesrat. Über 37 der 69 Stimmen konnte die schwarz-gelbe Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel bislang in der Länderkammer verfügen, nun ist diese Mehrheit weg. 31 Stimmen sind noch übrig für Schwarz-Gelb. Damit sind einige Großprojekte der Koalition, etwa in der Gesundheitspolitik, in der angepeilten Form nicht mehr möglich. Steuersenkungen sind aber nicht völlig ausgeschlossen.

Das Aus von Schwarz-Gelb in Düsseldorf bedeutet, dass das einst von Merkel propagierte „Durchregieren“ im Bundesrat nicht möglich sein wird. Aber regiert werden muss, das wissen alle Beteiligten. SPD und Grüne haben daher schon durchblicken lassen, dass es keine harte Blockadepolitik geben wird (wie übrigens in allen Phasen, in denen eine Bundesregierung keine Mehrheit in der Länderkammer hatte, und das war seit 1949 immer wieder über Jahre hinweg der Fall). Das Angebot zur Kooperation liegt also von zwei Seiten vor. Wie aber regieren mit einem Bundesrat, der mittlerweile – was die Landeskoalitionen betrifft – so bunt ist wie nie zuvor? Mit seinen roten, rot-roten, schwarz-roten, schwarz-grünen, rot-grünen, schwarz- gelben, schwarz-gelb-grünen Regierungen? Was auf den ersten Blick chaotisch anmutet, ist in Wirklichkeit so unregierbar nicht. Im Grunde sind zwei Szenarien möglich, wahrscheinlich ist eine Kombination der beiden: Die eine ist parteipolitisch ausgerichtet, die andere sozusagen landespolitisch.

Im parteipolitischen Szenario stehen vor allem die Grünen im Mittelpunkt des Interesses. Denn zwei CDU-Ministerpräsidenten regieren mit den Grünen, Peter Müller im Saarland (wo auch die FDP mit von der Partie ist), Ole von Beust in Hamburg. Diese Länder kämen als erste in den Blick, um das Minus von sechs Bundesratsstimmen für Schwarz-Gelb nach der NRW-Wahl zumindest partiell auszugleichen. Erst recht würden die Grünen zum informellen Koalitionspartner auf Bundesebene, wenn es zu Schwarz-Grün auch in NRW käme. Natürlich würden die Grünen Schwarz-Gelb pur nicht mitmachen, aber Kompromisse werden sich finden lassen. Sollten sich die Grünen sperrig zeigen, gibt es für Merkel & Co. immer auch die Möglichkeit, auf die SPD zuzugehen. Da reicht schon die Kooperationsbereitschaft von Kurt Beck in Mainz, um vier Stimmen zur Mehrheit zu bekommen.

Wobei das schon zum zweiten Szenario führt. Angesichts der Buntheit der Länderkammer und der seit Jahren wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Ländern ist den Ministerpräsidenten und ihren Kabinetten mittlerweile das landespolitische Interesse oft wichtiger als die Parteipolitik auf Bundesebene. Vor allem gilt das für eher strukturschwache Länder. Das muss nicht heißen, dass solche Länder durch irgendwelche Sonderzuwendungen quasi gekauft werden müssen – angesichts der Belastungen durch Bundesgesetze genügt es wohl schon, deren Umsetzung für die Länder etwas flexibler zu gestalten, damit diese weniger Kosten haben. Mit der ersten Föderalismusreform sind dafür auch Möglichkeiten geschaffen worden, die bisher kaum oder gar nicht genutzt wurden.

Merkel wird also nach der schwarz-gelben Niederlage vom Sonntag im Bundesrat künftig das tun müssen, was ihr auf europäischer Ebene auch ständig begegnet: Mehrheiten durch Verhandlungen zusammenzubasteln. Das kann mal in dieser, mal in jener Konstellation sein, und möglicherweise kommt der Kanzlerin das gar nicht ungelegen: Es diszipliniert sowohl die FDP als auch die CSU.

Und die Steuerpolitik? Vereinfachungen im System werden am Bundesrat wohl kaum scheitern. Steuersenkungen sind dagegen seit Sonntagabend eine noch diffizilere Geschichte als zuvor schon. Denn dafür wird es, soweit es Einkommen- und Mehrwertsteuer betrifft, keine Mehrheit geben. Denn die Einnahmen daraus fließen zum Teil auch an Länder und Kommunen. Aber es gibt ja reine Bundessteuern, allen voran der Solidaritätszuschlag, der allein die Bundeskasse füllt.

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