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Gegen den Strich. Thüringens Landeschefin Lieberknecht (CDU) will den Mindestlohn. Ratspräsident Seehofer (CSU) lässt das offensichtlich kalt.

© Davids

Bundesrat: Wahlkampf auf Probe

Der Bundesrat streitet über Mindestlohn und Bildung. Es geht aber auch um künftige Koalitionen. Und deshalb bekommt die Thüringer Ministerpräsidentin Lieberknecht Gegenwind aus den eigenen Reihen.

Dass ein Bundestagswahlkampf beginnt, merkt man im Bundesrat, wenn der Pragmatismus zu weichen beginnt und das prinzipienfeste parteipolitische Geplänkel anfängt. Und so durfte die brave thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) am Freitag erleben, wie es ist, wenn man gleich in beiden Lagern, dem eigenen und dem der SPD, für Aufregung sorgt. Und zwar richtig für Aufregung.

Was war passiert? Die CDU/SPD-Koalition in Thüringen hat sich eine Lösung für das heiß umstrittene Thema Mindestlohn ausgedacht. Lieberknecht gestand ein wenig mehr zu, als ihre Union da bislang zu tun bereit ist: Mindestlöhne nicht nur in tariffreien Branchen und vor allem die allgemeine bundesweite Gültigkeit. Ihr Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) ließ ein wenig von dem weg, was seine Sozialdemokraten ansonsten gern hätten. Die exakte Höhe zum Beispiel (die SPD fordert 8 Euro 50) und die Fixierung von Mindestlöhnen per Gesetz. Stattdessen sollen, wie es die CDU möchte, Kommissionen entscheiden. Üblicherweise nennt man das einen Kompromissvorschlag. Nur sind Wahlkampfzeiten keine Kompromisszeiten. Jedenfalls nicht für alle. Daher die Aufregung.

Denn es zeichnen sich in beiden Parteien mit Blick auf die Wahl 2013 zwei Konfessionen ab. Die einen setzen eher auf die kleinen Lösungen, also Fortsetzung von Schwarz-Gelb beziehungsweise Ablösung durch Rot-Grün. Und dann gibt es die Großkoalitionären. Lieberknecht und Machnig haben etwas Großkoalitionäres gemacht. Bei der SPD gab es in der Koordinierungsrunde am Donnerstagabend daher einigen Unmut. Denn die Rot-Grünen wollen keinen Kompromiss mit der Union, sondern das Thema Mindestlohn als Konfrontationsthema im Wahlkampf nutzen. Klare Kante. Das Thüringer Modell aber schmeckt nach Verzicht.

Für Volker Bouffier wiederum riecht die Sache aus Erfurt eher nach Verrat der reinen Lehre und der Parteilinie. Weshalb der hessische Ministerpräsident, was ansonsten als unfein gilt, der Parteifreundin eine Art Gegenrede im Plenum hielt. Aber Bouffier ist nun einmal ein Schwarz-Gelber, zumal er daheim mit der FDP regiert. Er hielt Lieberknecht die CDU-Position entgegen, wonach Mindestlöhne nach Branchen und Regionen je nach Bedarf und Wunsch der Beteiligten gestaffelt werden müssten. Sonst drohe Arbeitsplatzverlust. Kurt Beck übrigens, der ansonsten ganz gern über Mindestlöhne redet, hat am Freitag geschwiegen. Dafür unterstützt das rot-rote Brandenburg den Thüringer Entwurf, auch die großen Koalitionen in Sachsen-Anhalt und im Saarland sind zugeneigt. Der Hintergedanke einiger Sozialdemokraten ist, dass man auch mit dem Kompromissmodell zumindest zeigen kann, wie wenig mit Schwarz-Gelb im Bund geht beim Mindestlohn. Ob es am Ende eine Mehrheit gibt für die Thüringer Lösung, bleibt vorerst unklar.

Geplänkel auch bei der Bildungspolitik. Da stand eine von der Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) initiierte Grundgesetzänderung auf der Tagesordnung. Verkürzt gesagt soll damit die Förderung von Vorhaben und Einrichtungen der Wissenschaft mit Bundesmitteln erleichtert werden – da Bildung praktisch reine Ländersache ist, muss man ein Türchen öffnen im Grundgesetz. Schön für die Hochschulen, gut für die belasteten Landeshaushalte. Doch bei SPD und Grünen sieht man darin eher eine Gelegenheit, sich gegen Schwarz-Gelb zu profilieren. Denn viel mehr als das, was Schavan anbot, geht nicht mit der Union und vor allem nicht mit der FDP im Bundestag.

Rote und Grüne wollen aber deutlich mehr – eine Ausdehnung der Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern auf die gesamte Bildungspolitik, also auch auf die Schulen und den vorschulischen Bereich. Weshalb sie Schavans Minilösung rundweg ablehnen. Zum Entsetzen übrigens sämtlicher Wissenschaftsorganisationen, die lieber den Spatz in der Hand gehabt hätten. „Das Grundgesetz ändert man nicht jeden Tag“, schulmeisterte dagegen die Mainzer Bildungsministerin Doris Ahnen, sondern nur für große Dinge, und im Übrigen sei Schavans Angebot nicht mal ein Spatz gewesen.

Zwar gab es im Bundesrat keine Mehrheit für die Ablehnung der Grundgesetzänderung, dafür aber eine für den Antrag, dass man nun lang und breit redet über Möglichkeiten des Kooperierens von Bund und Ländern in der Bildungspolitik. Das mit Mehrheit gegen die vier schwarz- gelben Koalitionen beschlossene Gespräch kann immerhin dem Anliegen dienen, die Bildungspolitik in den Wahlkampf zu ziehen. Schavan übrigens macht zunächst nicht mit, die Länder sollen erst mal untereinander klarkommen.

Ach ja, im rot-grünen Lager gibt es noch einen Pragmatiker. Der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hätte einen Vorschlag zur Güte: keine Grundgesetzänderung, dafür mehr Geld für die Länder durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer. Plus Staatsvertrag, dass das zusätzliche Geld auch wirklich in die Bildung fließt. Übrigens eine alte Ministerpräsidentenforderung, querbeet. Nur jetzt nicht.

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