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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

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Bundesregierung: Empörung über Chodorkowski-Urteil

Mit Besorgnis und Empörung hat die Bundesregierung auf das Urteil gegen den früheren russischen Ölindustriellen Michail Chodorkowski reagiert. Das Strafmaß gegen den Öl-Magnat steht noch aus.

Mit Besorgnis und Empörung hat die Bundesregierung auf das Urteil gegen den früheren russischen Ölindustriellen Michail Chodorkowski reagiert. Der Schuldspruch gegen ihn habe ihre „schlimmsten Befürchtungen“ bestätigt, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dem Tagesspiegel: „Das Verfahren lässt rechtsstaatliche Standards vermissen und ist offensichtlich politisch motiviert.“ Da wichtige Zeugen zugunsten Chodorkowskis ausgesagt hätten, sei es „kaum nachzuvollziehen, wie es zu diesem Urteil kommen konnte“.

Der erneute Schuldspruch sei „ein harter Rückschlag“ für Russland auf dem Weg zum Rechtsstaat, kritisierte die FDP-Politikerin weiter. „Schon der Eindruck, dass das Strafrecht als Machtinstrument eingesetzt wird, ist verheerend.“ Offenbar habe der russische Ministerpräsident Wladimir Putin schon seit einiger Zeit gewusst, wie das Urteil ausfallen würde, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. „Das ist zumindest der Eindruck, der entsteht, wenn er noch während des laufenden Verfahrens sagt: Der Dieb muss im Gefängnis sitzen.“ Die FDP-Politikerin bezog sich damit auf frühere Äußerungen Putins, der sich für eine Haftstrafe ausgesprochen hatte. Bundesaußenminister Guido Westerwelle nannte das Verfahren „äußerst bedenklich“.

Die US-Regierung zeigte sich am Montag „zutiefst besorgt“ über den erneutenSchuldspruch. „Der „anscheinende Missbrauch der Justiz“ sei beunruhigend, hieß es in einer Erklärung. „Die offensichtlich selektive Anwendung des Gesetzes“ schade Russland und behindere „seine eigene Modernisierung und Fähigkeit, die Verbindungen mit den USA zu vertiefen“. Bereits zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton das Urteil kritisiert.

Chodorkowski war am Montag von einem Moskauer Gericht wegen Geldwäsche und Betrugs schuldig gesprochen worden. Richter Viktor Danilkin begann am Morgen mit der Verlesung des Urteils gegen den ehemaligen Chef des Ölkonzerns Jukos und dessen Geschäftspartner Platon Lebedew. Folgt das Moskauer Gericht in dem zweiten Prozess dem Antrag der Staatsanwaltschaft, wird Chodorkowski erst 2017 aus der Haft entlassen. Die Urteilsverkündung kann mehrere Tage dauern, das genaue Strafmaß wird erst zum Schluss bekannt gegeben.

Chodorkowski verbüßt bereits eine Haftstrafe von acht Jahren wegen Steuerhinterziehung und Betrug, die im kommenden Jahr zu Ende geht. Im zweiten Prozess wurde er nun schuldig gesprochen, das gesamte Öl, das Jukos zwischen 1998 und 2003 produzierte, gestohlen und den Erlös gewaschen zu haben. In dem 20 Monate dauernden Verfahren hatten zahlreiche Zeugen, darunter amtierende und ehemalige Regierungsmitarbeiter, die Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew als unwahrscheinlich und sogar absurd bezeichnet.

Chodorkowskis Anwalt Wadim Kluwgant sprach von einem „ungerechten Schuldspruch eines unfreien Gerichts“. Er sei eine „Schande für das Land“, sagte Kluwgant und kündigte ein Berufungsverfahren an. Vor dem Gerichtsgebäude kam es zu tumultartigen Szenen, da nur wenige Journalisten zur Urteilsverkündung zugelassen wurden. Rund 20 Menschen wurden festgenommen.

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