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Politik: Bundesregierung gegen anonyme Geburten

Kein Hinweis, dass Babyklappen Kindstötungen verhindern / FDP fordert Legalisierung oder Verbot

Die Bundesregierung will Frauen nicht das Recht einräumen, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen. Das geht aus der Antwort auf eine FDP-Anfrage hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Zwar befinde sich die Bundesregierung noch in einer „ergebnisoffenen Auswertung der Erfahrungen“, aber: „Nach derzeitiger Einschätzung dürfte eine in das alleinige Ermessen der Mutter gestellte (Nicht-)Preisgabe ihrer Identität problematisch sein.“ Nur in Ausnahmefällen sollten Mütter ihre persönlichen Daten verweigern dürfen.

Dies könnte Konsequenzen für die rund achtzig „Babyklappen“ in Deutschland haben und für die Kliniken in allen Bundesländern, die anonyme Geburten anbieten. 1999 bot die Schwangerenberatung Donum Vitae im bayerischen Amberg Frauen erstmals an, anonym zu entbinden. Im Jahr darauf folgte in Hamburg die erste Babyklappe als Ort zur anonymen Abgabe von Säuglingen. Kliniken wie Klappen begründen ihre Angebote damit, Kindstötungen oder riskante Aussetzungen zu verhindern. Gegner bestreiten, dass das Angebot solche Mütter überhaupt erreicht. Stattdessen würden verzweifelte Frauen dazu verleitet, sich von ihren Kindern zu trennen statt Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mehrere Versuche die umstrittenen Angebote zu legalisieren, scheiterten. Im Koalitionsvertrag vereinbarten Union und SPD, die Erfahrungen mit der anonymen Geburt auszuwerten. „Das war vor zwei Jahren“, sagt die FDP-Bundestagsabgeordnete Ina Lenke. Zwei Jahre, die die Bundesregierung tatenlos habe verstreichen lassen. Lenke findet auch ärgerlich, dass der 36-seitigen Antwort auf ihre Anfrage keine Pläne zu entnehmen sind: „Entweder macht die Bundesregierung jetzt endlich ein Gesetz oder sie verbietet anonyme Geburten.“ Die rechtswidrige Praxis weiterhin zu dulden, hält die Freidemokratin nicht für vertretbar.

Mit ihrer Anfrage hatte die FDP die Bundesregierung vor einem halben Jahr wenigstens zu einer Bestandsaufnahme gezwungen; sie fragte nach Kinder- und Väterrechten und zu familien- und personenstandsrechtlichen Problemen, der Zahl der anonymen Geburten und auch nach den Beweggründen der Frauen, die die Angebote nutzen. Das Ergebnis: Die Quellen sind unsicher und die Datenlage ist mangelhaft. Auch für die rechtlichen Probleme, die anonyme Mutterschaft mit sich bringt, ist immer noch keine Lösung in Sicht: Wie will man Väterrechte garantieren, wenn Frauen ohne deren Wissen ihr Kind anonym weggeben dürfen?

Und auch die verfassungsrechtlichen Hürden scheinen nach wie vor unüberwindbar. Es gibt das Grundrecht zu wissen, von wem man abstammt. Dieses Recht, sagen Verfassungsrechtler, könnte nur eingeschränkt werden, wenn damit ein höheres Gut – das Recht auf Leben – geschützt würde. Doch darauf deutet wenig hin: Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob Frauen, die ihr Kind aussetzen oder töten, erreicht werden. Selbst über die Fallzahlen muss spekuliert werden: 143 Kinder hat die Bundesregierung in Babyklappen gezählt, weitere 94 wurden anonym in Kliniken zurückgelassen. Doch sieben Länder, darunter Nordrhein-Westfalen, konnten zur Zahl der anonymen Geburten gar keine Angaben machen, auch die Angaben der Babyklappen sind lückenhaft.

Doch wenigstens das hat die FDP jetzt schriftlich: Ob ein Gesetz nötig ist, kann die Bundesregierung nicht beurteilen. Und ob eine Untersuchung in Auftrag gegeben werde, hänge von einer Machbarkeitsstudie aus Bayern ab. Die liegt zwar schon seit Wochen vor, konnte aber noch nicht ausgewertet werden. Eine Hängepartie, stöhnt Ina Lenke. Sie glaubt nicht daran, dass in dieser Legislaturperiode noch irgendetwas geregelt wird.

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