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Der Alltag beginnt. Für die Zukunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel – hier bei einer Pressekonferenz im Juli dieses Jahres – ist die Wegstrecke bis zum nächsten Frühjahr entscheidend.

© dpa

Bundesregierung: Merkel beendet die Sommerpause

Die Kanzlerin kehrt am Montag aus dem Urlaub zurück. Es gibt viel für sie zu tun. Denn es warten miese Umfragewerte und schwierige politische Themen, die angepackt werden müssen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Mit einer gewissen Skepsis muss man sie immer bewerten, die Urteile von Oppositionspolitikern über die Zukunft einer Regierungschefin. In diesem Fall aber könnte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin nicht ganz falsch liegen. Der kommende März werde zum „Merkel-Menetekel“, prophezeit Trittin pünktlich zum Ende der parlamentarischen Sommerpause. Gleich drei Landtagswahlen stehen im kommenden Frühjahr an, von deren Ausgang, insbesondere im süddeutschen CDU-Stammland Baden-Württemberg, die Zukunft der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden ganz entscheidend abhängen wird.

An diesem Montag kehrt Angela Merkel aus dem Urlaub zurück. Das Stimmungsbild, das sie zu Hause erwartet, ähnelt in seiner Tristesse dem aus dem Frühsommer. Schwarz-Gelb genießt nach wie vor wenig Vertrauen in der Bevölkerung. Die Umfragewerte für die CDU liegen bei 30 Prozent, zuweilen sogar niedriger. In der Partei herrscht tiefe Verunsicherung über den eigenen Kurs. Und das umfangreiche Aufgabenpaket des Herbstes lässt neuen Zwist in der schwarz-gelben Koalition erahnen. Spätestens bis das Wahljahr anbricht, was bereits in vier Monaten der Fall ist, wird Merkel überzeugende Argumente für Schwarz-Gelb gefunden haben müssen. Denn eine Wahlniederlage in Stuttgart könnte für die CDU ähnlich dramatische Folgen haben wie einst das Aus für Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. Die Palastrevolution vorwegnehmend beendete SPD-Kanzler Gerhard Schröder 2005 selbst seine Regierung in Berlin.

Merkels Herbst beginnt unmittelbar. Bereits in den kommenden Tagen und Wochen werden inhaltlich die Weichen gestellt. Am Montag unterrichtet CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Fachleute im Bundestag über seine Pläne zum Umbau der Bundeswehr. Sein Ziel, das Heer nicht nur drastisch zu reduzieren, sondern den Wehrdienst auszusetzen (und damit faktisch abzuschaffen), trifft zwar auf Zustimmung beim liberalen Koalitionspartner. In der Union allerdings ist das Meinungsbild angesichts der drastischen Pläne des jungen Ministers noch unübersichtlich. Zwar befürwortet der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Stefan Müller (CSU), Guttenbergs Pläne im Prinzip. Sie seien „eine Alternative, wenn man Dienstgerechtigkeit nicht gewährleisten kann und die Wehrpflicht deshalb ausgesetzt würde“, sagte Müller dem Tagesspiegel und fügte an, es komme darauf an, „dass ein freiwilliger Wehrdienst attraktiv ausgestaltet“ würde. Allerdings gibt es insbesondere im konservativen Lager von CSU und CDU ernst zu nehmenden Widerstand.

Ganz ähnlich sieht es bei den Plänen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) aus, die bis zum Jahresende die Hartz-IV-Sätze für Kinder neu zu regeln hat. Die Ministerin will den Familien nur einen Teil des zu erwartenden Zuschlages bar überweisen. Den anderen Teil will sie auf Chipkarten laden, mit denen die Kinder dann unterschiedliche Bildungsangebote oder ein Schulmittagessen bezahlen können.

Was insbesondere für CSU-Politiker nach Entmündigung von Familien aussieht, will die Ministerin strategisch zur Ausweitung der Bildungsfinanzierung durch den Bund nutzen. Denn wo kurzfristig nur Kinder von Hartz-IV-Empfängern Guthaben auf Chipkarten erhalten sollen, kann der Bund in Zukunft viel weiter gehen. Sprachkurse für Migrantenkinder, kostenfreie Schulbücher für Kleinverdiener – alles ist vorstellbar, ohne die Bildungskompetenz der Bundesländer formal infrage zu stellen. Mit den Bundesländern und den Koalitionären will Leyen in der kommenden Woche darüber sprechen. Setzt sie sich durch (was die Unterstützung der Kanzlerin voraussetzt), könnte ihr ein wesentlicher Schritt zur Modernisierung von Sozial-, Bildungs- und auch Integrationspolitik gelingen. Allerdings hängt viel davon ab, wie sich konservative Kreise der Union verhalten.

Zum wohl heikelsten Thema des Herbstes wird allerdings die Energiepolitik. Wie lange werden Atommeiler noch laufen, welche Zugeständnisse wird Schwarz-Gelb den Stromversorgern abringen? Noch im August wird die Kanzlerin eine „Energiereise“ durch Deutschland unternehmen. Sie signalisiert damit, dass sie selbst diese für das Ansehen ihrer Regierung wesentliche Entscheidung mit prägen will. Angesichts der Meinungslage in der Bevölkerung ein Mammutprojekt, das dem Image von Union und FDP noch mehr schaden könnte. Oder aber auch nicht. Einen „heißen Herbst“ hat die Opposition Schwarz-Gelb bereits angedroht.

Einziger Lichtblick für Angela Merkel scheint im Augenblick die Konjunktur zu sein. Unverhofftes Wachstum lässt volle Staatskassen erwarten, was traditionell für gute Laune bei Kämmerern und Bürgern sorgt. Fragt sich nur, was mit den Zusatzgroschen angefangen wird. Noch mehr sparen, um die Schuldenbremse einzuhalten, mehr ausgeben beziehungsweise das im Frühsommer geschnürte Sparpaket ausdünnen, oder doch die Steuern rasch senken? Die Pläne ihrer drei Regierungsparteien und Merkels Antworten darauf werden das Image der Kanzlerin in diesem Herbst entscheidend prägen.

Genauso wie Steffen Seibert, ihr neuer Sprecher, den Merkel heute dem Bundespresseamt offiziell vorstellt. Denn eines gilt auch in der Politik: Du kannst noch so viel richtig machen. Wenn es niemand erfährt, bleibt es dennoch falsch.

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