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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am 07.07.2016 im Deutschen Bundestag in Berlin.

© dpa

Bundesregierung reagiert auf Verfassungsschutz: Merkel: "Iran entwickelt sein Raketenprogramm weiter"

Verfassungsschutzberichte, nach denen der Iran in Deutschland Material für Atomwaffen und -Raketen kaufen will, hatte die Bundesregierung zunächst ignoriert. Jetzt aber hat Kanzlerin Merkel im Bundestag reagiert.

Von Frank Jansen

Teilweise schweigend, teilweise nichtssagend hatte die Bundesregierung auf die Berichte des Verfassungsschutzes zum iranischen Atomwaffenprogramm reagiert. Doch nun hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zumindest teilweise bestätigt, was das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Landesbehörde in Nordrhein-Westfalen kürzlich in ihren Jahresberichten 2015 angeprangert hatten. „In eindeutigem Widerspruch zu den einschlägigen Bestimmungen des UN-Sicherheitsrates entwickelt der Iran sein Raketenprogramm weiter“, sagte Merkel am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Das im Juli 2015 in Wien geschlossene Abkommen mit dem Iran zur Kontrolle von dessen Nuklearprogramm habe daran nichts geändert.

Die beiden Verfassungsschutzbehörden hatten über massive Versuche des Iran berichtet, bei Unternehmen in Deutschland illegal Material für Nuklearwaffen und Trägerraketen zu beschaffen. Der Iran habe zwar im Atomvertrag erheblichen Beschränkungen und Kontrollen seines Nuklearprogramms zugestimmt, heißt es im Jahresbericht des Bundesamtes, den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 28. Juni in Berlin vorstellte. „Nichtsdestotrotz“ hätten sich die festgestellten „proliferationsrelevanten Beschaffungsaktivitäten“ 2015 auf einem weiterhin hohen quantitativen Niveau befunden. Für 2016 sieht das BfV zwar einen Rückgang der iranischen Umtriebe, will aber von einer Trendwende nicht sprechen.

"Es reicht nicht, dem Regime in Teheran zu vertrauen"

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sagt in seinem Jahresbericht, vergangenen Montag von Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) präsentiert, knapp zwei Drittel der 2015 „identifizierten Einkaufsversuche“ seien iranischen Programmen zuzurechnen. Das müssen dann ungefähr 90 gewesen sein. Die Behörde spricht von 141 illegalen Beschaffungsversuchen.

Die Bundesregierung sagte zu den Berichten des Verfassungsschutzes zunächst so gut wie nichts. Das Bundeswirtschaftsministerium speiste den Grünen-Abgeordneten Volker Beck, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, auf seine Anfrage zur Berichterstattung des Tagesspiegels mit der Wiederholung einer alten Information ab. Da ist von einer einzigen Anklage in den vergangenen zwölf Monaten „wegen verbotener Ausfuhr von Gütern in den Iran im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm“ die Rede. Doch Beck bohrt weiter.

Diesen Donnerstag schickte er dem Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier (CDU), und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Schreiben mit mehreren Fragen. „Hat die Bundesregierung Kenntnisse von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz im Zusammenhang mit dem Iran?“, will Beck wissen. Und: „Von wie vielen Proliferationsversuchen im Zusammenhang mit dem Iran hat die Bundesregierung Kenntnis für 2015?“ Beck fragt zudem gezielt nach Verstößen „für die Zeit von seit dem 21. 7. 2015“. Das war der Tag nachdem der UN-Sicherheitsrat das kurz zuvor vereinbarte Abkommen mit dem Iran dann als Resolution 2231 bekräftigt hatte.

Beck erinnert Altmaier und Gabriel in seinem Schreiben „an meine grundrechtlich garantierten Informations- und Kontrollrechte“ als Abgeordneter des Bundestages. Und er bittet um eine Antwort „spätestens innerhalb einer Woche“. Beck ist auch nicht einzige, den die Aktivitäten des Iran beunruhigen. Israels Botschafter in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman, sagte vergangenen Montag dem Tagesspiegel, „wir sind überzeugt, dass die deutschen Behörden die von ihnen festgestellten illegalen Aktivitäten mit allen erforderlichen Maßnahmen verfolgen werden“. Das ist der diplomatisch verpackte Hinweis auf die Erwartung Israels, dass die Bundesrepublik die iranischen Atomspione stoppt. Der Botschafter betonte denn auch, „mit Blick auf den Atomdeal mit Iran sehen wir einmal mehr unseren Verdacht bestätigt, der auch von deutscher Seite geteilt wird: es reicht nicht, dem Regime in Teheran zu vertrauen“. Die Bundesrepublik steht in besonderem Maße in der Pflicht, die iranischen Aktivitäten unter die Lupe zu nehmen. Das Nuklearabkommen mit dem Iran hatte neben den fünf Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrats auch Deutschland unterschrieben. Und Deutschland vertritt vehement das Existenzrecht Israels. Eine iranische Atombombe hingegen wäre für den jüdischen Staat eine tödliche Gefahr.

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