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Der Historiker Heinrich August Winkler hielt die Hauptrede bei der Gedenkstunde im Bundestag zum 70. Jahrestages des Kriegsendes. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck verfolgten die Ansprache.

© Odd Andersen/AFP

Bundestag gedenkt dem Kriegsende: Historiker Winkler: "Es lässt sich kein Schlussstrich ziehen"

Vor 70 Jahren endete der zweite Weltkrieg. Bei einer Gedenkstunde im Bundestag sprach der Historiker Heinrich August Winkler über den Jahrestag - auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts.

Mit einer rund 40-minütigen Rede gedachte der Historiker Heinrich August Winkler am Freitagvormittag dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945. Vor Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und den Mitgliedern des Bundestags und Bundesrates, die sich zu einer gemeinsamen Sitzung im Bundestag zusammengefunden hatten, erinnerte er an die Folgen der nationalsozialistischen Diktatur. Die Ereignisse seien nur langsam aufgearbeitet worden. "Es war nicht so, dass die Mehrheit das Kriegsende als Befreiung wahrnahm", sagte der 76-jährige, der bis 2007 als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität lehrte. Viel Zeit sei vergangen, bis die Deutschen erkannt hätten, dass sie auch von sich selbst befreit worden waren. "Es bedurfte teilweise heftiger Debatten, um den Prozess voranzutreiben." Dazu gehörte auch der Historikerstreik, in dem Winkler selbst Mitte der achtziger Jahre involviert war und in dem er sich gegen die Relativierung der NS-Gräueltaten angesichts der Gulags in der Sowjetunion aussprach.

In seiner Ansprache sagte Winkler, dass es Deutschlands Wiedervereinigung einige Jahre später nur habe geben können, weil das Land glaubhaft mit den dunklen Teilen seiner Geschichte gebrochen hätte. Abgeschlossen sei die Beschäftigung mit der Vergangenheit aber nicht und werde es auch nie sein, betonte er. "Unter eine solche Geschichte lässt sich kein Schlussstrich ziehen." Die Massaker, die von Deutschen begangen worden sind, würden schließlich zum Teil bis heute nachwirken. Daraus ergebe sich eine moralische Verantwortung für den Schutz der Völkergemeinschaft und vor allem der Länder, die erst im Zuge der friedlichen Revolution wieder souverän wurden. Immer wieder wurde Winklers Rede in diesen Minuten von Applaus aus dem Plenum unterbrochen.

Krim-Annexion ist "völkerrechtswidrig"

Die Annexion der Krim durch Russland im vergangenen Jahr bezeichnete Winkler in diesem Zusammenhang als "völkerrechtswidrig". Er kritisierte, dass damit auch die Friedensordnung in Frage gestellt worden sei, die die Siegermächte nach dem Ende des Krieges vereinbart hatten. Er lobte die Bemühungen Deutschlands, in dem Konflikt zu vermitteln, aber warnte davor, andere Länder zu übergehen. "Nie wieder dürfen Polen und unsere baltischen Nachbarn den Eindruck gewinnen, dass zwischen Berlin und Moskau irgendetwas über ihre Köpfe hinweg und auf ihre Kosten entschieden wird."

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der derzeitige Bundesratspräsident, unterstrichen die Bedeutung des Jahrestages und mahnten, Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen. "Nicht nur am 8. Mai, sondern jeden Tag", schloss Bouffier.

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