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„Die Lage ist ernst“. Trotz der mahnenden und grundsätzlichen Worte von Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit denen er einen weiteren Rettungsschirm für Griechenland im Bundestag verteidigte, gab es während der Debatte Momente der Entspannung.

© Reuters 

Bundestag: Lehrstunde zu Europa

Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärt den Deutschen die Vorteile der Gemeinschaft – und bekommt Applaus von der Opposition.

Von Antje Sirleschtov

Dass es bei der Gewährung eines zweiten Milliarden-Hilfspaketes für das pleitebedrohte Griechenland um mehr geht, als bloß eine Menge Geld und die üblichen Streitereien zwischen Koalition und Opposition, das wurde an diesem Freitag spätestens klar, als der Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD) gar nicht mehr aufhören wollte, den Finanzminister der Koalition als leuchtendes Beispiel für einen verantwortungsvollen Europäer zu preisen. Ein Beispiel sollten sich vor allem Union und FDP an Wolfgang Schäuble nehmen, rief Steinmeier und versprach demselben die sozialdemokratische Unterstützung, wann immer er „sinnvolle und verantwortliche“ Entscheidungen zu Abstimmung im Bundestag stellen werde. Die Zuhörer hatten zuweilen den Eindruck, der SPD-Fraktionschef fühle so etwas wie Mitleid mit Wolfgang Schäuble.

Was ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen wäre. Ein Jahr nach dem ersten Hilfspaket werden die Kanzlerin und ihr Finanzminister den Deutschen schon wieder begreiflich machen müssen, dass Griechenland finanziell am Ende ist und eine Hilfslieferung von fast hundert Milliarden Euro braucht. Und natürlich die deutsche Staatsschatulle von diesem Kredit den größten Teil tragen muss. Weshalb Schäuble am Freitag seine Regierungserklärung auch mit dem Satz begann, „Meine Damen und Herren, die Lage ist ernst“ . Und man konnte durchaus erkennen, dass er damit nicht allein die finanzielle Lage des südeuropäischen Nachbarn gemeint hat. Sondern auch die sinkende Bereitschaft der Deutschen, in ein Fass ohne Boden ihr sauer verdientes Geld zu schütten. Eine geringe Bereitschaft, die man deutlich in den Tagen zuvor auch beim Gang durch die Reihen der Abgeordneten von Union und FDP spüren konnte. Zugestimmt – vorerst zumindestens – hat zwar Angela Merkels schwarz-gelbe Koalition dann dem Paket doch. Allerdings (siehe Kasten) hätte es durchaus daneben gehen können, was unweigerlich zur politischen Krise hätte führen können. Mit all den Auswirkungen auf die Griechen, Europa und den Euro an sich. Denn spätestens Ende Juni muss Europa den neuen Milliardenkredit unter Dach und Fach haben. Und selbst das ist wegen der widerstreitenden Interessen einiger europäischer Nachbarn und der Deutschen keine einfache Operation. Nicht auszudenken, so ein Verhandlungsgang in Brüssel, wenn zu Hause die Koalition gerade birst. Wolfgang Schäuble wird es einigermaßen beruhigt haben, dass Steinmeier im Prinzip seiner Meinung ist: Griechenland zu helfen, ist „staatspolitische Verantwortung“. Auch wenn da schon die Gemeinsamkeiten an ihre Grenzen gekommen sind. „Sie haben in der Euro-Krise wiederholt Ihre Positionen korrigieren müssen und damit die Menschen erst richtig verunsichert“, wirft der Sozialdemokrat der Koalition danach vor.

Und auch bei diesem Schritt der Hilfe kann der Bundesfinanzminister wieder nicht das Versprechen einer dauerhaften Tragfähigkeit geben. „Dennoch müssen wir helfen, den Griechen ein Stück Zeit zu geben.“. Weil das Forträumen der Folgen jahrelangen haushaltspolitischen Schlendrians in einer Demokratie nun mal nicht von heute auf morgen funktioniere, sagt Schäuble. Und weil ein „unkontrollierter Staatsbankrott“ Folgen auch für den Wohlstand in Deutschland hätte, die sich niemand ausmalen könne. Schäubles Worte klangen sehr grundsätzlich und mahnend: „Wir haben den größten Vorteil von Europa.“ Weil Deutschland die größte Exportnation des Kontinents sei und weil Deutschland ohne die Nähe zu seinen europäischen Partnern so etwas wie die Deutsche Einheit nicht hätte bewerkstelligen können. Weshalb den Deutschen auch ihre Verantwortung bewusst werden müsse. Nicht nur in Europa, wo Schäuble eine „Führungsverantwortung“ sieht, sondern auch für die ganze Welt.

Worte eines Politikers, der sich zu alledem auch noch vor den Richtern des Bundesverfassungsgerichtes zu erklären hat. Die nämlich verhandeln am 5. Juli zum ersten Mal über die Klagen gegen den ersten Euro-Rettungsschirm sowie gegen die erste Griechenland-Hilfe. Eine Woche, bevor das zweite Hilfspaket auf dem Weg sein muss.

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