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Vor der Abstimmung haben einige Politiker teilweise sehr emotionale Reden gehalten.

© dapd

Bundestag: PID bleibt zugelassen

Ernst und frei von Parteienstreit hat der Bundestag fast vier Stunden lang die ethisch heikle Frage von Gentests an Embryonen debattiert. Die Präimplantationsdiagnostik bleibt zugelassen - unter Bedingungen.

Paare dürfen das Erbgut künstlich erzeugter Embryonen in Zukunft in Deutschland testen lassen. Nach einer ernsten und hochemotionalen Debatte frei von jedem Parteienstreit stimmte der Bundestag am Donnerstag mehrheitlich für die begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID).

Auf den Gesetzentwurf pro PID der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach und anderer entfiel eine überraschend deutliche Mehrheit von 326 Stimmen. Der Entwurf für ein striktes Verbot erhielt 260 Stimmen. Acht Abgeordnete enthielten sich. Ein Kompromissentwurf war mit 58 Stimmen in zweiter Lesung gescheitert.

Bereits heute können Ärzte nach einem Urteil des Bundesgerichtshof Embryonen untersuchen. Nun stellt der Gesetzgeber erstmals Bedingungen auf. Die PID bleibt im Grundsatz verboten - aber zulässig, wenn auf Grund der genetischen Disposition der Eltern eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt wahrscheinlich ist. Zuvor ist Beratung Pflicht, eine Ethikkommission muss zustimmen.

Die PID darf nur an Zentren mit Lizenz vorgenommen werden. Es wird von einigen Dutzend bis einigen hundert Fällen im Jahr ausgegangen.

Immer wieder kochten in der Debatte ohne Fraktionszwang die Gefühle hoch. Mehrere Abgeordnete führten ihre eigenen Erfahrungen mit problematischen Schwangerschaften, Frühgeburten oder ihren gesunden Kindern ins Feld.

Die Befürworter der PID stellten ins Zentrum, dass betroffene Paare nur so einschätzen könnten, ob sie ein gesundes Kind bekommen. Diese Entscheidungsfreiheit dürfe den Frauen nicht genommen werden.

Lesen Sie auf Seite 2, was die PID-Gegner sagten

Die Gegner wandten ein, die PID könne nicht auf diese Fälle eingegrenzt werden - auch nach späteren Krankheiten oder gar Eigenschaften würde Leben künftig ausgewählt.

Gesundheitsstaatssekretärin Flach warnte, mit einem Verbot würde der Gesetzgeber vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Denn Frauen würden dann gezwungen, zur Abwendung einer schweren Erbkrankheit gegebenenfalls abzutreiben. Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche (CDU) erläuterte, Abtreibungen seien bis zur zwölften Schwangerschaftswoche möglich, Spätabtreibungen bei schweren Konflikten der Mutter. "Diese Eltern wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind", mahnte Flach, "sie verstehen nicht, warum sie in Deutschland keine Hilfe bekommen." Für den Patientenbeauftragten Wolfgang Zöller (CSU) stand wie für meisten anderen PID-Gegner im Mittelpunkt: "PID bedeutet Selektion. Unter den künstlich hergestellten Embryonen werden die einen ausgewählt, die anderen verworfen."

Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe sagte: "Auslese würde für mich zur gesellschaftlichen Norm." Wolfgang Thierse (SPD) warnte: "Wir ermöglichten eine Qualitätsbeurteilung menschlichen Lebens." "Ein bisschen PID gibt es genauso wenig wie ein bisschen schwanger", sagte Zöller. "Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der Eltern entschuldigen müssen, kein sogenanntes Musterbaby vorweisen zu können." CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze beschwor die Abgeordneten, mit dem medizinischen Fortschritt könne man sich aus den Zwängen der Natur befreien. "Das ist die Vernunft, die uns Gott gegeben hat. (...) Nicht eine Ethik der Strafe, sondern eine Ethik des Helfens macht unsere Gesellschaft menschlicher."

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) entgegnete: "Es geht heute um die Ethik des Lebens." Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann sagte: "Wer die Prozedur einer PID auf sich nimmt, tut das nicht, um ein Kind mit blauen Augen zu bekommen." Auch der Grünen-Rechtspolitiker Jerzy Montag wandte sich dagegen, dass Paare die Methode leichtfertig anwenden könnten. "Die Erlangung von weiblichen Eizellen ist kein Spaziergang." Der SPD-Ethikexperte René Röspel warb erfolglos für den dritten Antrag, einen Mittelweg. Die PID solle nur erlaubt sein, wenn die Entwicklungsfähigkeit des Embryos unwiderruflich nicht gegeben sei.

Mit tränenerstickter Stimme warb der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn für die Zulassung. Er selbst sei "der glücklichste Vater der Welt". Dieses Glück, "das ich jetzt mit meiner Frau teilen kann", sollten auch andere haben können.

Eine zentrale Rolle spielten die Auswirkungen auf die Menschen mit Behinderungen. Ilja Seifert, behindertenpolitischer Sprecher der Linken, mahnte: "Es gibt keine perfekten Menschen - niemand von uns ist das." Doch die PID nähre Illusionen, es könne eines Tages ewige Gesundheit geben. Aus einem Kinderwunsch könnten leicht Wunschkinder werden. Mit der SPD-Abgeordneten Karin Evers-Meyer trat eine ehemalige Behindertenbeauftragte (2005 bis 2009) für eine PID-Zulassung ein: Das Leben von Behinderten werde durch unzureichende Gleichstellung im Alltag beeinträchtigt. (dpa)

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