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Politik: Bundestag verschärft Versammlungrecht

Aufmärsche von Rechtsextremisten können künftig einfacher verboten werden. Mit breiter Mehrheit verschärfte der Bundestag heute das Versammlungs- und Strafrecht. Nur die FDP stimmte gegen den Kompromiss. Die Zustimmung des Bundesrats gilt als sicher.

Berlin (11.03.2005, 12:52 Uhr) - Bereits in der kommenden Woche wird die Zustimmung des unionsdominierten Bundesrates erwartet. Bund und Länder wollen damit rechtzeitig vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai das Versammlungsrecht so beschneiden, dass Aufmärschen von Rechtsextremisten an historisch sensiblen Orten wie dem Holocaust-Mahnmal in Berlin oder an KZ- Gedenkstätten ein Riegel vorgeschoben wird.

Die FDP stimmte wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Änderungen. Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler sagte in der abschließenden Debatte, Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien für die Demokratie von fundamentaler Bedeutung. Die Gesetzesverschärfung sei der falsche Weg in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremen. Stadler kritisierte, dieser Bundestag gewöhne sich mehr und mehr daran, in Grundrechte einzugreifen.

Ob die Verschärfung die gewünschte Wirkung erzielt, ist umstritten. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verteidigte dennoch die Änderungen. Es sei ein «Werkzeug mehr» im Kampf gegen Rechtsextremisten. Die Praxis werde zeigen, ob sich das Gesetz bewährt. Angesichts der weltweit ausgestrahlten Bilder demonstrierender Neonazis vor dem Brandenburger Tor musste nach seiner Einschätzung gehandelt werden.

FDP-Chef Guido Westerwelle rechnet mit Klagen von Neonazis gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und hält sie für aussichtsreich. Das Gesetz sei «dilettantisch», sagte er im DeutschlandRadio. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht hätten daher «eine sehr große Chance auf Erfolg».

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) begrüßte, dass die Auswahl der geschützten Orte den Ländern überlassen bleibt. Bayern ist besonders betroffen durch die jährlichen Neonazi-Aufmärsche in Wunsiedel, wo der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß beigesetzt ist. Allerdings gebe es auch einige Schwachpunkte. So seien für die Länder «historisch bedeutsame Orte» schwierig zu interpretieren.

Weiter Demos am Brandenburger Tor

Nicht durchsetzen konnte die Union ihren Gesetzentwurf, wonach das Brandenburger Tor in den so genannten befriedeten Bezirk um das Parlament einbezogen wird. Damit wären zumindest während der Sitzungswochen und bei Sondersitzungen wie der zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs Demonstrationen an dem historischen Ort unmöglich gemacht. Schily machte in der Debatte deutlich, dass er hier im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen der Union gefolgt wäre. Es gebe keinen Grund, dass alle anderen Anlieger auf diese Weise geschützt werden sollen, aber das Brandenburger Tor nicht.

Die große Übereinstimmung zwischen Koalition und CDU/CSU- Opposition zeigte sich in der Debatte, als der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach Schily gegen Angriffe türkischer Medien in Schutz nahm. Wenn rassistisch und extremistisch agierende türkische Blätter den deutschen Innenminister angreifen, «dann stellt sich auch die Opposition vor den Bundesinnenminister, dann fühlen auch wir uns beleidigt». Schily hatte jüngst die im hessischen ansässige türkischsprachige Europaausgabe der «Anadoluda Vakit» («Die Zeit in Anatolien») verboten und wurde dafür beschimpft. (tso) ()

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