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Begabter Redner. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück

© dapd

Bundestagsdebatte: Der Kanzlerkandidat wettert gegen das Betreuungsgeld

Peer Steinbrück findet ein neues Thema und attackiert das Betreuungsgeld, aber die Koalition wehrt sich. Auch mit Seitenhieben gegen Steinbrücks umstrittene Rede-Honorare.

Von Hans Monath

Das etwas höhnische Lob der CSU-Politikerin Dorothee Bär zum Auftakt der Bundestagsdebatte über das Elterngeld kann den SPD-Kanzlerkandidaten nicht bremsen, der gleich nach ihr mit grimmig-entschlossener Miene ans Pult treten wird. Es sei doch positiv, dass Peer Steinbrück das Thema so wichtig nehme, dass er „als Familienpolitiker der SPD in die Bütt“ gehe, meint die Abgeordnete, deren Partei an diesem Tag im Parlament einen Triumph feiern wird. Eine Spitze gegen den für Auftritte an anderen Orten üppig honorierten Vortragsredner Steinbrück bringt die CSU-Frau auch noch unter: „Ich freue mich, Ihnen mal bei einer Rede zuhören zu dürfen.“

Tatsächlich bietet Steinbrück an diesem Freitagmorgen eine Premiere: Zum ersten Mal spricht er als Abgeordneter im Plenum nicht über den Euro oder die Finanzmärkte, sondern über Gesellschaftspolitik. Aus seiner Sicht hat das zwei Vorteile: Als Kandidat muss er sich breiter aufstellen – und er startet mit dem Rückenwind einer stabilen Mehrheit der Bürger. Die lehnt die milliardenschwere neue Familienleistung entschieden ab, welche die CSU mit der Drohung des Koalitionsbruchs durchgesetzt hat.

Als Steinbrück dann fulminant loslegt, knetet die Kanzlerin auf der Regierungsbank mit gesenktem Kopf wieder ihre Finger. Weder „ein nennenswerter Teil der Regierungskoalition“ wolle die neue Leistung noch eine gesellschaftliche Mehrheit, schimpft der SPD-Mann. „Dieses Betreuungsgeld ist eine grundfalsche Weichenstellung, um es deutlicher zu sagen, es ist Schwachsinn“, donnert er und zählt nacheinander die arbeitsmarkt-, fiskal- und gesellschaftspolitischen Gegenargumente auf. Der Anreiz gegen den Besuch öffentlicher Betreuungseinrichtungen werde Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten sowie Deutschland „ungerechter machen und in ein überholtes Gesellschaftsmodell einsperren“, warnt er.

Genüsslich zitiert Steinbrück Warnungen von Regierungspolitikern wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor Wirkung und Verfassungsrisiken des Betreuungsgelds. Lang weidet er den Umstand aus, dass die Leistung in freier Abstimmung in der Koalition keine Mehrheit fände. Mit einem „Höchstmaß an Disziplin und Selbstverleugnung vor allem in der FDP“ solle das Gesetz durchgedrückt werden. Dann wendet er sich an die Kanzlerin: „Sie tun es aus einem Kalkül der Machtbalance innerhalb der Regierung“, wirft er ihr vor, die Entscheidung sei „allein auf die Überlebensfähigkeit Ihrer Koalition“ bis zur Wahl ausgerichtet.

Zur Verteidigung treten ausschließlich Politiker der zweiten und dritten Reihe an

Eine rot-grüne Bundesregierung, verspricht Steinbrück, werde als eine der ersten Amtshandlungen die Leistung sofort zurücknehmen und das Geld in den Betreuungsausbau stecken. Im Falle eines Wahlsiegs seiner Wunschkoalition werde „dieses Gesetz die kürzeste Halbwertszeit in der Geschichte der Bundesrepublik haben“. Auch das Bundesverfassungsgericht will die SPD anrufen.

Die Koalition bietet zur Verteidigung des Projekts ausschließlich Politiker der zweiten und dritten Reihe auf. Immerhin nutzt der FDP-Abgeordnete Patrick Meinhardt seine Chance, der direkt auf Steinbrück antwortet. Er bemüht sich zwar nicht, irgendein inhaltliches Argument für die Leistung zu finden und lobt nur deren Verbesserung durch das Bildungssparen. Aber er attackiert die SPD, weil sie in der großen Koalition für das Kinderförderungsgesetz stimmte, in dem ein Bekenntnis zum Elterngeld stand, und das Gesetz dann als Durchbruch pries. Die Koalitionsabgeordneten, die während der Rede des SPD-Kandidaten wie niedergedrückt in ihren Reihen gesessen haben, können sich wieder freuen und laut johlend klatschen. „Doppelzüngig“ und „heuchlerisch“ sei Steinbrück, höhnt der Liberale Meinhardt: „Heute als Schwachsinn darzustellen, was sie mal als vernünftig bezeichnet haben, ist an Unverfrorenheit nicht zu überbieten!“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der gegen die „Fernhalteprämie“ wettert, provoziert mit seinem Lob für die guten Bildungsergebnisse von Frauen so viele Zwischenfragen, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eingreift: „Herr Kollege Trittin, vielleicht könnten wir uns darauf verständigen, dass es einzelne Männer gibt, die den Begabungsdurchschnitt von Frauen erreichen.“ Der Grünen-Politiker ist sofort einverstanden: „Wenn Sie das sagen, Herr Präsident...“ Mit Blick auf die CSU und das von ihr forcierte Betreuungsgeld meint Trittin: „Für diesen Irrsinn sollen wir zahlen, damit Bayern nicht zum Swing-State wird.“

Als die CDU-Abgeordneten Peter Tauber und Uwe Schummer Steinbrück dann wieder wegen seiner Honorare attackieren („Ihre Rede heute war nicht nur kostenlos, sie war umsonst“), haben sich die Reihen geleert. Voll wird es erst wieder zur Abstimmung: Für die Geldleistung für Eltern, die für ihre ein- und zweijährigen Kinder keine öffentliche Betreuung in Anspruch nehmen, stimmen 310 Koalitionsabgeordnete. Bei der FDP votieren neben der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, drei Abgeordnete dagegen, aus der CDU zwei.

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