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Stolz auf seine Haushaltspolitik: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)

© Reuters/Stefanie Loos

Bundestagsdebatte zum Haushalt 2017: Schäubles Bilanz

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spart im Parlament nicht mit Lob für seine Haushaltspolitik seit 2009. War das schon ein bisschen Abschiedsrede?

Wolfgang Schäuble ist guter Dinge. Seit 2009 ist er jetzt Bundesfinanzminister. Seine Haushaltspolitik sieht er als einen Grund dafür, dass es Deutschland „wirtschaftlich so gut wie nie zuvor“ gehe. Dass die Zahl der Erwerbstätigen mit 43,5 Millionen so hoch wie nie zuvor liege. Dass die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren sei und die Preise stabil blieben. Auch die Reallöhne seien zuletzt wieder gestiegen, und die Renten sogar noch stärker. Nach dem Defizit von 2009 in Höhe von 86 Milliarden Euro sei die Neuverschuldung Schritt für Schritt gesenkt worden, bis 2014 die schwarze Null erreicht war. „Man kann das einen langen Atem nennen“, sagte Schäuble am Dienstag im Bundestag zum Auftakt der Debatte über den Haushaltsentwurf für 2017.

Und dennoch sei investiert worden, seien die Ausgaben im Rahmen des Wirtschaftswachstums erhöht worden, nicht zuletzt für Bildung und Forschung, seien alle vorrangigen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Es fand sich sogar noch Geld, Länder und Kommunen in dieser Zeit um 65 Milliarden Euro zu entlasten. Den Überschuss in diesem Jahr spielte der Finanzminister herunter, aber auch der ist sein Werk. Das alles und noch viel mehr trug Schäuble vor. Es war eine vor Genugtuung dampfende Erfolgsbilanz.

Aber der Finanzminister hat auch in die Zukunft geblickt, von der man nicht weiß, welche Rolle er in ihr spielen wird. Wird auch der Etat 2018, 2019, 2020 von ihm gestaltet? Oder zieht er sich aus der vorderen Reihe der Politik zurück nach der Wahl im kommenden Jahr? Tritt der 74-Jährige überhaupt wieder an?

Ganz lassen wird er es wohl nicht können, und ein bisschen Wahlkampf hat er in seine Rede auch einfließen lassen. Schäuble sieht einen „Spielraum“ von 15 Milliarden Euro für Steuersenkungen, über die kleine Steigerung hinaus, die schon im kommenden Jahr durch die Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflation, die Erhöhung des Grundfreibetrags und der Unterstützung für Kinder kommen werde. Volumen dieser Schritte, die sich aus dem Existenzminimumbericht ergeben: zwei Milliarden Euro.

TTIP findet Schäuble gut

Den Koalitionspartner zwickt Schäuble mit einem klaren Votum für das Freihandelsabkommen TTIP. Direkt an Sigmar Gabriel gewandt trägt Schäuble auch Zahlen zur Bundespolizei vor, die der SPD- Chef, der neuerdings stärker in Sicherheit macht, für unterbesetzt und schlecht ausgerüstet hält. Die Ausgaben für die bundeseigene Polizeitruppe seien seit 2006 fast verdoppelt worden, von 2,6 auf 4,3 Milliarden Euro, auch das Personal sei um 2000 Beamte gewachsen und wachse weiter um nochmals 3000. „Es gab und gibt keinen Sparkurs in der inneren Sicherheit“, hält Schäuble Gabriel entgegen.

Mehr Strukturreformen würden auch Deutschland nicht schaden, meint Schäuble noch, weil er das Thema innerhalb der G-20-Staaten auch global auf die Agenda gesetzt hat. Aber da fällt ihm für das Inland nur ein, dass die laufenden Bund- Länder-Gespräche mehr bringen müssten als nur eine „Verschiebung von Finanzmassen“. Der Erfolgsbilanzier Schäuble steht hier dem Reformantreiber Schäuble im Weg. „Gesellschaften ändern sich ungern, wenn es ihnen gut geht“, doziert der Finanzminister, der sich ja zugesteht, das bewirkt zu haben, und daher sei es „keine einfache Zeit für Reformen“.

SPD: Vier verlorene Jahre

Die SPD sucht jedoch noch nicht den Nahkampf. Fraktionsvize Carsten Schneider stellt nur fest, dass man eine Entlastung der Gering- und Mittelverdiener längst hätte haben können, wenn die Union flexibler gewesen wäre beim Spitzensteuersatz. Aber eine gestaltende Steuerpolitik sei mit Schäubles Partei nicht möglich gewesen. „Vier verlorene Jahre“, sagt Schneider über Schwarz-Rot nach drei Jahren. Die SPD werde Entlastungen nicht nur über die Steuer, sondern auch bei den Sozialabgaben anpeilen. Und Schäubles Absicht, bei den Sozialausgaben zu bremsen, hält er entgegen, bei einer konstanten Sozialquote von 28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts seit 1996 könne man von einem überbordenden Sozialstaat nicht reden. Gegen Kinderarmut und für Alleinerziehende müsse mehr getan werden.

Was auch der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler so sieht, der deutlich machte, dass seine Partei steuerpolitisch näher an der SPD als an der Union steht. Einen Haushalt ohne Neuverschuldung hätten angesichts der Umstände – gute Konjunktur und Zinsen auf Rekordtief – auch Theo Waigel oder Hans Eichel hinbekommen, meinte er. Mit Gesine Lötzsch war sich Kindler einig, dass die Koalition bei der Erbschaftsteuer nichts zustande gebracht habe. Die Vermögenden würden von der Regierung zu sehr geschont, beklagte die Linken-Haushaltspolitikerin. Schäubles Entwurf nennt sie einen „Nach-mir-die-Sintflut-Haushalt“.

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