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Linken-Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko

© Michael Kappeler/dpa

Bundestagsdelegation in Kiew: Ukraine verhängt Einreiseverbot gegen Linke-Abgeordneten

Eine Delegationsreise des Europaausschusses im Bundestag in die Ukraine findet ohne die Linke statt - Kiew hat gegen deren Abgeordneten Andrej Hunko ein Einreiseverbot verhängt.

Von Matthias Meisner

Willkommen in der Ukraine ist der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko schon seit Monaten nicht mehr. Zweimal war der Politiker im vergangenen Jahr in den Separatistengebieten der Ostukraine, im Februar und im November. "Wir sind in vermintes Gelände gereist", gab Hunko nach der ersten Tour zu. Bei der war er, wie dann auch im November, von Russland aus in den Donbass gefahren, ein aus Sicht Kiews illegaler Grenzübertritt.

Die Reisen, bei denen Hunko und sein Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke auch mit Rebellenführern zusammenkamen, haben jetzt für den Linken-Politiker konkrete Folgen. Eine Reise des Europaausschusses des Bundestages in die Ukraine findet ohne Hunko statt, der europapolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Die Regierung in Kiew hat gegen ihn ein Einreiseverbot verhängt. Hunko selbst spricht sogar davon, dass er auf einer schwarzen Liste des ukrainisches Inlandsgeheimdienstes SBU stehe und in der Ukraine ein Prozess gegen ihn begonnen worden sei. Es bestehe die Gefahr der Verhaftung, sagte er dem russischen Nachrichtenportal Sputnik.

Zur Bundestagsdelegation unter Leitung des CDU-Politikers Gunther Krichbaum, die am Sonntag nach Kiew flog, gehören nun noch zwei weitere CDU-Bundestagsabgeordnete sowie jeweils einer von SPD und Grünen. Im Verlauf der noch bis zu diesem Mittwoch dauernden Reise werden Gespräche mit Vertretern von Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft geführt, auch mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko. Eine zunächst geplante Begegnung mit Präsident Petro Poroschenko fiel aus.

Die Linke hatte nach dem Einreiseverbot für Hunko versucht, eine Absage der Delegationsreise durchzusetzen. Sie verwies dabei darauf, dass eine Reise des Menschenrechtsausschusses nach Kuba in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu Stande kam. Hinderungsgründe damals: Gespräche mit Bürgerrechtlern wurden verweigert, zudem war der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz von Havanna zur unerwünschten Person erklärt worden.

Erinnerungsfoto. Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke (3. von links) und Andrej Hunko (4. von links) im Februar mit Separatistenführer Alexander Sachartschenko in Donezk - auf der Onlineseite novorossijanews.ru
Erinnerungsfoto. Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke (3. von links) und Andrej Hunko (4. von links) im Februar mit Separatistenführer Alexander Sachartschenko in Donezk - auf der Onlineseite novorossijanews.ru

© Tagesspiegel

Hunko selbst hatte am Freitag, zwei Tage vor dem Abflug, entschieden, nicht mitzureisen - einen Ersatzteilnehmer wollte seine Fraktion nicht stellen. Nach Darstellung des Linken-Politikers habe es zwar "formale Versuche" des Auswärtigen Amtes und der deutschen Botschaft in Kiew gegeben, zu intervenieren und seine Einreise doch noch möglich zu machen. "Wie ernsthaft diese Versuche waren, kann ich nicht beurteilen." CDU-Ausschusschef Krichbaum unterstellt Hunko, dass er das gegen ihn verhängte Einreiseverbot als berechtigt ansieht. "Das ist ganz offensichtlich politisch motiviert, wie sich der Ausschussvorsitzende hinter die Ukraine gestellt hat."

CDU-Ausschusschef Krichbaum verteidigt Kiew

Krichbaum sagte dem Tagesspiegel: "Grundsätzlich lässt sich der Deutsche Bundestag die Zusammensetzung seiner Delegationen nicht von anderen Ländern vorschreiben. Hier liegt der Fall aber anders." Gegen Hunko und Gehrcke bestünden offizielle Einreiseverbote, "weil sie wiederholt illegal mit russischer Hilfe in die von Separatisten besetzten Gebiete einreisten". Damit sei die Reaktion der ukrainischen Regierung in keinerlei Weise willkürlich. Auch andere Staaten, so die USA, Russland und Deutschland, würden bei einem ähnlichen Vorgehen ähnlich reagieren. "Die Entscheidung der Ukraine ist völkerrechtlich nachvollziehbar und auch Abgeordnete sollten sich, wie andere Bürger auch, kritisch selbst prüfen, wenn sie ein Fehlverhalten oder eine Straftat begangen haben", sagte Krichbaum.

Wagenknecht und Bartsch intervenierten bei Lammert

Die Linke-Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch hatten im Vorfeld der Ausschussreise bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) interveniert und eine Teilnahme von Hunko gefordert. In einem Brief an Lammert vom 21. Januar, der dem Tagesspiegel vorliegt, schrieben sie: "Es kann nicht sein, dass die Regierungen von Drittstaaten über die Zusammensetzung von Delegationen des Deutschen Bundestages bestimmen. Würde dieses Beispiel Schule machen, wären der Willkür von Regierungen, mit dem Ziel, aus ihrer Sicht unliebsame Abgeordnete aus Delegationen des Bundestages auszuschließen, Tür und Tor geöffnet." Die Sanktionierung von Hunko nannten Wagenknecht und Bartsch eine "unzulässige Einschränkung der Meinungs- und Bewegungsfreiheit eines Abgeordneten als Strafe für bestimmte politische Haltungen".

Hunko erklärt, es sei bei den beiden Reisen in die Ostukraine um "humanitäre Hilfslieferungen" gegangen, "nicht etwa um illegale Waffengeschäfte oder andere kriminelle Machenschaften". Die Linke hatte Spenden für ein Kinderkrankenhaus im ostukrainischen Horliwka gesammelt. Für die Übergabe von Sachspenden schienen den Politikern Kontakte zu den Separatistenführern unausweichlich. Bei der ersten Tour ließen sich Hunko und Gehrcke vom Chef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Alexander Sachartschenko, nicht nur empfangen, sondern sogar im SUV durch die Stadt fahren. Anschließend hatte Hunko versichert: "Ich bin überhaupt nicht glücklich damit, wie das von Donezker Seite propagandistisch genutzt wurde."

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