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Bundestagsneuwahl: Streit um Ende von Visa-Ausschuss

Der Streit zwischen Koalition und Opposition im Visa-Untersuchungsausschuss ist in einem Konflikt um das Ende der Ermittlungen eskaliert. Die Opposition droht mit einer Klage im Bundesverfassungsgericht.

Berlin (02.06.2005, 16:06 Uhr9 - Trotz der Klageandrohung der Opposition beschlossen SPD und Grüne am Donnerstag, die Beweisaufnahme über den massenhaften Visa-Missbrauch wegen der geplanten Bundestagsneuwahl im September nicht mehr fortzusetzen.

Damit würde auch die mit Spannung erwartete Zeugenvernehmung von Innenminister Otto Schily (SPD) am 8. Juli entfallen. Union und FDP wollen am kommenden Montag Klage und einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen, um doch eine Anhörung Schilys zu erreichen. Schily hatte laut Aktenlage wegen der Visa-Praxis, bei der Ausländer zwischen 1999 und 2004 vor ihrer Einreise oft nicht genügend geprüft wurden, mit Außenminister Joschka Fischer (Grüne) im Streit gelegen. Ein hochrangiger Diplomat, der früher über die Missstände berichtet hatte und am Donnerstag noch wie geplant gehört wurde, erhob massive Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt: «Wir stießen auf eine Gummiwand.»

Die Koalition begründete den Verzicht auf weitere Sitzungen zur Beweisaufnahme mit der Notwendigkeit, dass bis zu den Neuwahlen noch ein ordnungsgemäßer Bericht über die bisherige Arbeit geschrieben werden müsse. Alles andere «wäre ein eklatanter Gesetzesbruch», sagte der SPD-Obmann Olaf Scholz. Die Wähler hätten Anspruch auf vollständige Information über die bisherige Arbeit des Gremiums. Grünen-Obmann Jerzy Montag verwies darauf, die Mitarbeiter des Bundestag könnten nicht gleichzeitig weitere Zeugenvernehmungen vorbereiten und den Bericht schreiben.

Die Opposition sieht dennoch ihre im Grundgesetz garantierten Rechte als parlamentarische Minderheit als verletzt an. Nach ihrer Ansicht geht es Rot-Grün lediglich darum, Schilys Aussage zu verhindern. Der CDU-Obmann Eckart von Klaeden sagte: «Wir alle wollen Neuwahlen, es muss aber möglich sein, in zwei Monaten einen Bericht zu erstellen.» Die Beweisaufnahme müsse nicht vorzeitig enden.

Das Bundesverfassungsgericht wird nach Schätzungen im Ausschuss frühestens in drei Wochen entscheiden. Es komme darauf an, für wie eilbedürftig der zuständige Senat die Angelegenheit sieht, hieß es. Dann muss das Gericht auch der Ausschuss-Mehrheit erst einmal Gelegenheit zur Äußerung geben.

Der FDP-Abgeordnete Max Stadler sah durch Entscheidung der Mehrheit die Arbeit des Ausschuss am Ende. «Das ist faktisch das "Aus" für den Ausschuss», sagte er. Jerzy Montag versicherte, die Beweisaufnahme könne wieder aufgenommen werden, wenn es wider Erwarten nicht zu einer Neuwahl des Bundestages komme. «Dann haben wir alle Zeit der Welt, alle Zeugen zu vernehmen», ergänzte Scholz.

Der Ausschuss war im 17. Dezember 2004 auf Drängen von Union und FDP eingesetzt worden. Höhepunkt war die Vernehmung von Außenminister Joschka Fischer Ende April, der persönliche Fehler eingeräumt hatte.

Als vorerst letzter hochrangiger Zeuge sagte der heutige Botschafter auf den Philippinen, Axel Weishaupt, am Donnerstag, auf damalige auf Klagen der diplomatischen Vertretungen sei zwischen 1999 und 2001 lange keine Reaktion des Außenministeriums erfolgt. Weishaupt übte damals die Funktion eines Chef-Inspektors aus, der die Arbeit der Botschaften unter die Lupe nimmt. Mehrmals sei er in der zuständigen Abteilung des Außenministerium vorstellig geworden.

Es sei unerfreulich gewesen, dass alle Argumente, die vorgebracht wurden, «vom Tisch gewischt» wurden, sagte der Diplomat insbesondere unter Hinweis auf die Zustände vor diplomatischen Vertretungen Deutschlands in der Ukraine. Der frühere Leiter der Rechtsabteilung der Botschaft in Kiew lobte aber Fischer dafür, dass nach einem Besuch in der Vertretung Mitte 2000 für eine Personalaufstockung gesorgt zu haben. (tso)

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