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Auch hier könnten die Parteien im Wahlkampf noch klingeln.

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Bundestagswahl 2017: Haustürwahlkampf im digitalen Zeitalter

Kein Zufall, wenn es klingelt: Daten der FDP belegen, wie strategisch Haushalte beim Wahlkampf ausgewählt werden.

Haustürbesuche sind beim Bundestagswahlkampf ein wichtiges Mittel für die Parteien geworden. Grund dafür ist die Digitalisierung. Daten, die die FDP versehentlich veröffentlicht hat, belegen, wie strategisch dabei einzelne Haushalte angesprochen werden.

Wahlkampf ist teuer. Personal, Broschüren, Wahlkampfauftritte müssen finanziert werden. Aus diesem Grund ist es für die Parteien umso wichtiger, effektiv mit den Ressourcen umzugehen. In den letzten Jahren setzen die Parteien immer mehr auf persönliche Besuche bei den Wählern. „Menschen empfinden das Haustürgespräch als Wertschätzung, deshalb ziehen wir von Tür zu Tür“, sagt Peter Tauber, CDU-Generalsekretär.

Auch andere Parteien nutzen die Hausbesuche. Auf welche Strategien die Parteien setzen und bei wem sie klingeln, war lange undurchsichtig. Jetzt zeigen Daten aus dem FDP-Wahlkampf, wie die Digitalisierung den Haustürwahlkampf verändert hat. „Im Gegensatz zu früher versucht man nicht jeden anzusprechen, sondern gezielt Wähler, die auf der Seite der Partei stehen“, sagt Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der Hochschule für Politik in München. Wähler könne man schwer umstimmen, sagt Hegelich. Deshalb liege der Fokus der Parteien darauf, Sympathisanten zu mobilisieren, damit sie zur Wahl gehen.

Auswertung ermöglichen gezielte Ansprache

Die Datengrundlage der FDP war aus Versehen zeitweise im Internet zugänglich, wo sie Hegelich entdeckt hatte. Die Informationen für die Wahlkampfhelfer offenbaren, dass die Partei versucht, bis auf Gebäudekomplexe genau potentielle FDP-Wähler auszumachen. Eine Karte zeigt den Freiwilligen die Häuser an, in denen sie mit 60- oder 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf Anhänger treffen.

Erst digitale Auswertungsmethoden großer Datenmengen ermöglichen die gezielte Ansprache von Sympathisanten, sogenanntes „Microtargeting“. Im vorliegenden Fall hatte das Institut Dimap historische Wahldaten, sozio-demografische Variablen und Variablen zum Wohnumfeld ausgewertet. Die Wahldaten sind beim Bundeswahlleiter offen zugänglich, während die restlichen Daten bei der Post Direkt GmbH, einer Tochter der Post, zugekauft wurden.

Vorbild dafür ist der US-Wahlkampf. Spätestens seit der Obama-Kampagne 2008 gehört das Microtargeting zum festen Repertoire der Wahlkämpfer. Allerdings sind die Möglichkeiten in Amerika andere als hierzulande. Lockerere Datenschutzbestimmungen und größere finanzielle Mittel führen dazu, dass US-Wahlkampfhelfer teilweise genau wissen, wie die Person an der Türschwelle tickt. Sie kennen zum Beispiel teilweise deren Interessen und Vorlieben. Ein riesiger Vorteil, möglich durch die Kombination verschiedener Datenquellen, wie etwa Facebook-Daten und Adressinformationen.

Bis zu 12.000 Haustüren am Tag

Da können die deutschen Parteien nicht mithalten – vor allem wegen des Datenschutzes. Die CDU allerdings hat die App „Connect17“ entwickelt. „Für die CDU ist das die Killerapplikation für den Wahlkampf“, sagt Politikberater Martin Fuchs. Sie verbessert die Koordination. Damit bekommen Wahlkämpfer übermittelt, in welchen Straßenzügen wahrscheinlich CDU-affine Wähler wohnen. Die App bringe außerdem durch spielerische Anreize mehr Freiwillige an die Türen, sagt Fuchs. Teilweise erreicht die CDU, nach eigenen Angaben, bis zu 12000 Türen am Tag.

Vor allem verbessere die App die Datenbank von Wahl zu Wahl, sagt Fuchs. So werden Reaktionen der Angesprochenen festgehalten und geografisch auf Straßenzug-Ebene zugeordnet. Die Wahlkampfhelfer vermerken dabei die Haltung der Bewohner zur CDU. Drei Emoticons symbolisieren Zustimmung, Indifferenz und Ablehnung gegenüber der Partei. Auch das Geschlecht und Alter der Befragten wird gespeichert. So besteht die Möglichkeit, von Tag zu Tag einen ergiebigeren Datensatz zu erstellen. Auch Simon Hegelich findet die Sammelkapazitäten der Connect17-App beachtlich. Die App sei ein „richtiges Datenmonster“, sagt der Datenwissenschaftler.

Auch SPD und Linke verwenden Apps für die Haustüraktionen, wenn auch mit weniger Funktionen und kleinerem Budget. Dabei ist es sehr schwer zu messen, wie erfolgreich der Haustürwahlkampf ist. „Niemand kann genau sagen, was der Haustürwahlkampf tatsächlich bringt“, sagt Hegelich.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die CDU-Wahlkämpfer bekämen per App „gezielt übermittelt“, wen sie ansprechen sollen. Richtig ist aber, dass die Wahlkämpfer auf Straßenzug-Ebene angezeigt bekommen, wie wahrscheinlich es ist, dass dort potenzielle CDU-Wähler wohnen. Das haben wir im Text geändert.

Lukas Haas

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