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Nichtwähler sind meist von der Politik enttäuscht.

© Karikatur: Klaus Stuttmann

Bundestagswahl 2017: Teufelskreis der Nichtwahl

Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren. Insbesondere Benachteiligte geben seltener ihre Stimme ab.

Im Endspurt vor der Bundestagswahl geben die Parteien und Kandidaten nochmal alles. Wahlkampf hier, Stimmen gewinnen da. Viele Wähler sind Umfragen zufolge noch unentschlossen. Die wollen sie mobilisieren. „Wahlen sind das Königsrecht der Demokratie, ein Hochfest. Wer davon nicht Gebrauch macht, hat mindestens moralisch den Anspruch verwirkt, sich nachher zu beschweren“, sagte der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert den „Westfälischen Nachrichten“. Der Aufruf, gerade an Nichtwähler, kommt nicht von ungefähr.

Es geht bergab mit der politischen Partizipation – zumindest was die Wahlbeteiligung betrifft. Seit der Rekordbeteiligung von 91,1 Prozent im Jahr 1972 haben sich immer weniger Bürger an der Bundestagswahl beteiligt. 2013 gaben nur noch 71,5 Prozent ihre Stimme ab. Mehr als 17 Millionen nutzten ihr Wahlrecht nicht.

„Die Wahlbeteiligung sinkt in den sozial benachteiligten Schichten, in Wohnvierteln, wo das Einkommen niedrig und die Arbeitslosigkeit hoch ist“, sagt Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung. Belegt wird das durch eine von ihm durchgeführte Studie nach den Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017. Demnach macht die Wahlbeteiligung zwischen prekären Vierteln und gutsituierten Gegenden einen Unterschied von 20 bis 40 Prozent aus. Sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen.

Zwei Typen von Nichtwählern

Vehrkamp unterscheidet zwischen dem „Gelegenheitsnichtwähler“ und dem „Dauernichtwähler“. Gelegenheitsnichtwähler hätten aufgrund von Terminen keine Zeit. Eine Gruppe, die sich über alle gesellschaftlichen Schichten verteile und für die Demokratie keine Gefahr sei. Anders sehe das bei den Dauernichtwählern aus. Hier ist der Anteil an bildungsfernen Menschen der Studie zufolge überdurchschnittlich hoch. „Menschen interessieren sich für Politik, wenn sie das Gefühl haben, die Politik interessiert sich auch für sie“, sagt Vehrkamp. Insbesondere die bildungsfernen Schichten hätten das Gefühl, dass ihre Interessen bei den etablierten Parteien nicht vertreten seien. Ein Teufelskreis: „Die unterrepräsentierten Schichten kommen in der Politik weniger vor und fragen sich dann, warum sie wählen sollen, wenn sich nichts ändert", sagt Vehrkamp.

Trotz allem geht Vehrkamp davon aus, dass die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl an diesem Sonntag leicht ansteigen wird. Einerseits hätten die Ereignisse rund um Trump und den Brexit Wähler in den Milieus, in denen sowieso viele wählen, mobilisiert. Andererseits hätte die AfD potentielle Nichtwähler angesprochen. „Die etablierten Parteien haben die Nichtwählermilieus vernachlässigt und das Problem der sozial gespaltenen Wahlbeteiligung unterschätzt. Das hat der AfD die gezielte Mobilisierung in diesen Milieus erleichtert“, sagt er. Die Balance zwischen der AfD-Mobilisierung aus dem Nichtwählerbereich und der Gegenmobilisierung der etablierten Parteien in den typischen Wählermilieus werde für die Wahl entscheidend sein.

Laura Weigele

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