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Bundestagswahl: Steinmeier in der Arena

Am Dienstagabend war Frank-Walter Steinmeier in einer öffentlich-rechtlichen Bürgersprechstunde zu sehen. Eine Kuschelveranstaltung wie am Vorabend für Angela Merkel wurde die Zuschauer-Frage-Runde für ihn nicht.

Berlin - Der junge Mann aus Bochum braucht für seine Frage keinen Merkzettel. Ob Frank-Walter Steinmeier noch von Murat Kurnaz träumt, will er wissen. Der SPD-Kanzlerkandidat und frühere Kanzleramtsminister sieht in diesem Moment nicht sehr glücklich aus, wie er da in der „Wahlkampf-Arena“ der ARD an einem gläsernen Pult steht und nach einer angemessenen Antwort sucht. Steinmeier hasst Fragen nach Kurnaz, dem Türken aus Bremen, der über Jahre hinweg in Guantanamo saß und um dessen Freilassung sich Steinmeier – so wurde es ihm von der Opposition in einem Untersuchungsausschuss vorgeworfen – nicht ausreichend bemüht haben soll.

Wer den Außenminister kennt, weiß, dass er Zweifel an seinem damaligen Vorgehen als Anschlag auf seine Ehre begreift. Auch jetzt, im Rund der geladenen Zuschauer, wirkt Steinmeier beleidigt. „Damit müssen wir mal fair umgehen“, verlangt er. Natürlich tue ihm Kurnaz leid. Aber es habe keine Möglichkeit gegeben, den jungen Türken früher aus dem US-Gefangenenlager auf Kuba herauszuholen. Glänzt da ein wenig Schweiß auf Wange und Stirn des Kandidaten?

Klar ist: Eine Kuschelveranstaltung wie am Vorabend für Angela Merkel wird die Zuschauer-Frage-Runde im Ersten für ihn nicht. Zwar folgen auf die Frage nach Kurnaz keine weiteren Unannehmlichkeiten für den Herausforderer, jedenfalls keine größeren. Aber ganz im Gegensatz zur Kanzlerin merkt man Steinmeier an, dass er sich während der 75-minütigen öffentlich-rechtlichen Bürgersprechstunde nicht durchweg wohl fühlt in seiner Haut. Er gibt ausweichende Antworten, das aber ausführlich und in langen Sätzen. Vieles wirkt wie ein Pflichtprogramm: die Attacke auf die Steuersenkungsversprechen der „politischen Konkurrenz“, die Verteidigung der Reformagenda 2010, das Bekenntnis zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan, zum Schuldenabbau, zu Bildungsinvestitionen, zum Atomausstieg.

Steinmeier klingt sehr ernsthaft und informiert. Er legt Wert darauf, kompetent und seriös zu erscheinen. Das mag manchem imponieren, hält das Publikum aber auch auf Distanz. Nur einmal überrascht der Herausforderer mit Schlagfertigkeit. Vor die Quiz-Frage gestellt, was er nach dem Ende der großen Koalition am meisten vermissen werde, Merkel, zu Guttenberg, von der Leyen oder seinen Dienstwagen antwortet er: Das mit dem Dienstwagen sei schon deshalb kein Problem, weil er ja nach dem Ende der großen Koalition Kanzler werde. Und lacht aus vollem Hals.

Es ist Steinmeiers Pech, dass die Moderatoren am Ende die Zweifel an seinen Siegeschancen in eine weitere Quizfrage kleiden. Warum er glaube, dass er Kanzler werde, wird Steinmeier gefragt. Weil noch ein Hochwasser komme, Lafontaine in die SPD eintrete, Westerwelle sein Vizekanzler werde – oder weil die Hoffnung zuletzt stirbt? Das findet der Kandidat nun nicht mehr so witzig. Und das ist es ja auch nicht. 

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