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Bundestagswahl: Tröstende Worte

Wie die CDU-Spitze ihre Sozialausschüsse für einen Wahlkampf mit der FDP gewinnen will

Von Robert Birnbaum

Berlin – Wo der Feind steht, macht Karl- Josef Laumann gleich in der Begrüßung klar. „Die beiden größten Vorsitzenden von populistischen Parteien in Deutschland heißen Oskar Lafontaine und Guido Westerwelle“, dröhnt der Münsterländer am Samstagmittag in den Saal des Berliner Maritim-Hotels. Weil die Jahrestagung der CDU-Sozialausschüsse das genau so sieht wie ihr Chef, erntet Laumann johlenden Applaus. Vielleicht merken die Delegierten nicht, dass die nassforsche Standortbestimmung die Lage des christdemokratischen Arbeitnehmerflügels genauer beschreibt, als ihnen das lieb sein kann. Der CDA ist innerhalb der CDU so etwas wie die Linke: Die Linke aber hat in diesen Krisenzeiten zur eigenen Verblüffung keine Konjunktur.

Man kann das allein schon daran ablesen, wie viel Trost Angela Merkel spenden muss. Peter Heesen, Chef des Beamtenbunds, empört sich gerade in seinem Grußwort über Privatisierungsideologen, als ihm dröhnende Musik das Wort abschneidet und die Kanzlerin und CDU- Vorsitzende ankündigt. Dem martialischen Auftakt folgt eine mehr besinnlich-prinzipielle Ansprache. Merkel redet über das Wesen einer Volkspartei im Allgemeinen – „Wir sind nicht die Partei einer Gruppe oder eines Klientels“ – und der CDU im Speziellen: Die müsse aufpassen, „dass wir eben nicht einfach eine Wirtschaftspartei sind“.

Anspruchslose Sätze, aber sie ernten dankbaren Applaus. Als Merkel eher beiläufig erwähnt, dass im Wahlprogramm der Union die alte CDA-Forderung nach mehr Schonvermögen für Menschen aufgenommen wird, die nach langem Arbeitsleben in Hartz-IV landen, stößt das auf Beifall. Geradezu frenetischen Applaus bekommt die Kanzlerin gar für die Randbemerkung, sie wolle sich ja nicht in Tarifgespräche einmischen, aber wer sage, dass pflegende und dienende Berufe am Menschen „nicht zu gut bezahlt“ würden, der liege schon richtig.

Doch das sind Trostbonbons. Ihre Kernbotschaft für die nächsten 100 Wahlkampftage ist eine andere: In einem Jahr mit Rekordabschwung müsse das Wahlprogramm davon bestimmt sein, „wie wir da am schnellsten wieder rauskommen“. Und Merkel macht auch unverblümt klar, welchen Stellenwert klassische Anliegen der Sozialausschüssler dabei haben: „Wo nichts eingenommen wird, kann schlecht verteilt werden.“ Sicher sei der Satz richtig, dass starke Schultern mehr tragen müssten als schwache; nur müsse kluge Politik auch dafür sorgen, „dass ein paar starke Schultern noch im Land sind“. Deshalb: Steuersenkungen für Mittelverdiener. Und was übrigens den verbreiteten Ruf angehe, die Verantwortlichen für die Krise erst mal selber ranzuziehen – frenetischer Beifall, jau, genau das wäre mal angebracht – da stelle sich leider „nur die Frage: Wo find’t man denn noch einen?“ Im Saal enttäuschtes Murren.

Am Schluss wird die Chefin natürlich trotzdem mit langem, stehendem Applaus verabschiedet. Dabei hat sie ganz am Ende noch etwas gesagt, was hier keiner hören mag: Dass CDU und CSU eine Regierung mit den Freien Demokraten wollten, „weil wir da das meiste unserer Programmatik umsetzen können“. Das sehen die Herz-Jesu-Sozis traditionell anders. Laumann, mit 96 Prozent der Stimmen erneut zum Chef gewählt, verspricht denn auch, dass die CDA mit vollen Kräften für den Sieg kämpfen werde. Aber weil er ja sieht, dass seine Truppen für diese Sorte Sieg nur schwer zu begeistern sind, gibt er ihnen ein Hilfsargument mit auf den Weg: „Damit es ganz viel CDU und CSU gibt und ganz wenig FDP.“

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