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Triell im WDR-Fernsehen: Im Mai saßen Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz schon mal beisammen und debattierten über Europa.

© WDR/Oliver Ziebe

Baerbock, Laschet oder Scholz: Kandidatenfaktor könnte in diesem Wahlkampf weniger relevant sein

Dieser Bundestagswahlkampf ist anders als früher: Weil das Personal nicht überzeugt, schauen die Wähler mehr auf die Parteien. Eine Analyse.

Das Trio, das die Kanzlerschaft anstrebt, weckt keine Begeisterung. Quer durch die Woche sind Umfragen erschienen, die das bestätigen. YouGov am Freitag meldete folgendes Ergebnis, gäbe es in Deutschland eine Direktwahl des Regierungschefs: Olaf Scholz 20, Armin Laschet 15, Annalena Baerbock 13 Prozent.

Bei Forsa zwei Tage zuvor sah die Reihenfolge anders aus, aber in der Addition war das Ergebnis ähnlich: Baerbock 19, Scholz 18, Laschet 17 Prozent. Etwa die Hälfte der Wähler und Wählerinnen hat mit Blick auf den 26. September keinen Favoriten und keine Favoritin.

Immerhin schaut die Sache bei der Forschungsgruppe Wahlen und ihrem Politbarometer aus Sicht des Trios etwas vergnüglicher aus. Dort wird nicht nach Direktwahl gefragt, sondern nach Eignung. Und siehe da, die Werte liegen weit höher.

54 Prozent meinen demnach, SPD-Kandidat Scholz habe das Zeug zum Kanzler. 35 Prozent billigen das CDU-Chef Armin Laschet zu. Exakt ein Viertel meint, die Grünen-Kandidatin Baerbock eigne sich für das höchste politische Führungsamt. Und wen wünscht sich die Wählerschaft nach dem Politbarometer tatsächlich ganz oben? Scholz kommt auf 34, Laschet auf 29, Baerbock auf 20 Prozent.

"Kandidatenfaktor mit weniger Relevanz"

Das Resümee der Forschungsgruppe Wahlen: „Vor dem Hintergrund nur bedingt überzeugender Kandidaten besitzt der Kandidatenfaktor dann auch weniger Relevanz als vor den letzten Bundestagswahlen.“ Nur für ein knappes Viertel aller Wahlberechtigten hat es demnach größere Bedeutung, wer als Kanzler oder Kanzlerin regiert. Zwei Drittel ziehen sich sozusagen pragmatisch aus der Affäre: Wenn das Personal nicht überzeugt, dann schaut man eben mehr auf die Parteien.

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Und so relativieren sich Ärger, Aufregung oder Abneigung angesichts des nicht ganz so mitreißenden Trios etwas. Ein Grund für die Umfrage-Ergebnisse kann freilich auch sein, dass eben erstmals diese Trio-Situation herrscht – als sich Guido Westerwelle einst zum FDP-Kanzlerkandidaten erkor, war das ein Marketing-Gag, nicht mehr.

Es fehlt jener Duell-Charakter, der alle Bundestagswahlen dominiert hat, seit sich Konrad Adenauer und Kurt Schumacher 1949 in einem ungemein harten Wahlkampf auch persönlich wenig schenkten. Auf den Kanzler kommt es dieses Mal also möglicherweise gar nicht so an.

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Weit mehr dagegen, wer mit wem regiert. Es ist kein Kanzler-, sondern ein Koalitionswahlkampf. Das prägt auch das Verhalten des Trios, das mit gegenseitigen Vorwürfen äußerst sparsam umgeht – was dann wiederum die Blässe in der Kanzlerfrage verstärkt. Nimmt man alle Umfragen der vergangenen Tage, dann zeichnet sich ab, dass Schwarz-Grün die wahrscheinlichste Koalition ist.

Die Kombination hat in der Summe eine knappe Mehrheit. Laut Politbarometer befürworten immerhin 32 Prozent ein solches Bündnis. Aber gerade in den Kernanhängerschaften weckt die Vorstellung keine große Begeisterung. Es wäre die nächste Groko über die Mittellinie hinweg, nur eben ein bisschen anders getüncht. Reine Lehre ist da schwerer umzusetzen.

Laschet macht nicht mobil

Färbt das auf die Einschätzung der Spitzenkandidaten ab? Nicht bei den Grünen. Baerbock kommt in der eigenen Anhängerschaft laut Politbarometer auf einen ordentlichen Wert von 2,9 (wie auch Robert Habeck). Möglicherweise aber bei der Union. Laschet kommt über einen sehr schwachen Wert von 1,4 nicht hinaus – weit hinter Angela Merkel (3,6) und CSU-Chef Markus Söder (3,1). Das bedeutet auch, dass der Mobilisierungswert Laschets für die Partei eher gering ist.

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Man sieht das vor allem, wenn man eine zwar nicht mehr aktuelle, aber mutmaßlich nicht ganz abwegige Forsa-Umfrage von Mitte Mai anschaut: Bezogen auf eine Bundestagswahl landete die CDU in Nordrhein- Westfalen, wo Laschet als Ministerpräsident regiert, nur bei 24 Prozent. Schwäche im so wichtigen bevölkerungsreichsten Bundesland, wo der Kanzlerkandidat der Union eigentlich punkten müsste, erklärt so auch das schwache Bundesergebnis. Früher lag die NRW-CDU meist etwas über dem Bundesschnitt.

[Lesen Sie auch: Wie schneidet man ein Kabinett zurecht? So funktioniert Berliner Machtarchitektur (T+)]

Aber die Union hat nicht nur ein Laschet-Problem. Sie hat auch eines im Süden. Nicht nur in Baden-Württemberg, wo die Grünen besonders stark sind. Nein, auch Bayern ist nicht mehr das, was es einmal war. Drei Umfragen im Juli – von GMS, Insa und Infratest dimap – haben für die CSU ein Bundestagsergebnis von gut 35 Prozent ergeben. Das ist nochmals weniger als 2017, als die Partei regelrecht eingebrochen war und nur auf 38,8 Prozent kam. Das waren damals noch 6,2 Prozent der Stimmen bundesweit. Nun liegt die CSU nach den Umfragen noch bei 5,6 Prozent. Söder mag im direkten Vergleich mit Laschet bessere Werte haben. Aber auch die CSU trägt derzeit dazu bei, dass die Union schlechter dasteht als 2017.

Von der Kanzler- zur Koalitionsfrage

Der FDP und ihrem Spitzenkandidaten Christian Lindner nutzt das. Doch für Schwarz-Gelb wird es nicht reichen. Die Freien Demokraten müssen auf „Jamaika“ setzen (für eine Ampel-Koalition, ob von SPD oder Grünen geführt, fehle ihm die Fantasie, sagt Lindner).

Und diese Koalitionsfrage könnte die nächsten Wochen immer mehr bestimmen. Die Grünen sind zwar von ihren Top-Ergebnissen in den Umfragen des Frühjahrs wieder  entfernt. Baerbocks Schwäche kommt hinzu. Doch sind sie auch auf dem jetzigen Niveau noch immer die großen Gewinner im Vergleich zur Wahl 2017. Das ist eine gute Basis, um in der Endphase des Wahlkampfes von der Konstellation am meisten profitieren zu können.

Entlastet von der Bürde, Baerbock könne es tatsächlich ins Kanzleramt schaffen, können die Grünen einen sehr themenbezogenen Schlussspurt inszenieren. Die Union wird dagegen von ihrem Kandidatenproblem belastet bleiben, was sie angesichts ihres blassen Wahlprogramms thematisch nicht ausgleichen kann.

Ihr bleibt allein die Hoffnung, dass am Ende die eigene Anhängerschaft getrieben wird von der Vorstellung, es könne gar nichts werden mit dem Weiterregieren. Scholz helfen dann auch seine passablen Werte nichts mehr. Die SPD dürfte, wenn aus dem Kandidaten-Triell ein schwarz-grün-gelbes Koalitions-Triell wird, im Off landen.

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