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Paulus

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Bundesverfassungsgericht: Das jüngere Gericht

Die FDP will den 41-jährigen Völkerrechtler Andreas Paulus nach Karlsruhe ans Bundesverfassungsgericht schicken. Vize soll Ferdinand Kirchhof werden.

Berlin - Am Dienstag wird er noch das Urteil zur hoch umstrittenen Vorratsdatenspeicherung verkünden, dann scheidet Hans-Jürgen Papier, Richter und Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senats, aus seinen Ämtern. Eine knappe Woche zuvor scheinen die Nachfolgefragen festzustehen: Neuer Richter am Ersten Senat soll auf Vorschlag der FDP der Göttinger Völkerrechtler Andreas Paulus werden. Der Tübinger Rechtsprofessor Ferdinand Kirchhof rückt nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ zum Senatsvorsitzenden und Gerichtsvizepräsidenten auf. Neuer Gerichtspräsident wird der bisherige Vize, der Vorsitzende des Zweiten Senats Andreas Voßkuhle.

Die Rochaden einschließlich der Personalie Paulus sind Ergebnis der komplizierten politischen Richterwahlarithmetik. Fest steht, dass sich das Gericht mit Paulus verjüngt. Er ist Jahrgang 1968 und liegt damit nur knapp über der gesetzlichen Mindestgrenze von 40 Jahren. Mit 14 von 16 Richtern bleibt das Gericht männlich dominiert. Klar ist zudem, dass mit Paulus ein FDP-Parteigänger Richter werden soll, der für die volle Amtszeit von zwölf Jahren zur Verfügung steht. Älter als 68 darf kein Richter mehr sein.

Davon abgesehen rüttelt sich im Gericht der politische Proporz nach bekanntem Muster zurecht. Der von der CDU ins Amt gehobene Papier gibt den Präsidentenstab an den von der SPD geholten Voßkuhle, der mit Kirchhof zum Ausgleich einen CDU-geförderten Vize erhält. Und die FDP hat nach dem Ausscheiden von Dieter Hömig wieder „ihren“ Mann in Karlsruhe, so wie auch die Grünen „ihren“ Mann haben mit Brun-Otto Bryde.

Der Rest erscheint als Formsache. Bundestag und Bundesrat wählen je zur Hälfte die Richterschaft, in der parlamentarischen Praxis wird die Aufgabe an einen Ausschuss delegiert, der mit Zweidrittelmehrheit entscheidet. Dort hat die Union derzeit fünf Mitglieder, die SPD drei, die FDP zwei und Grüne und Linke je eines. Ein Konsenskandidat ist also Pflicht, und auch bei Paulus wird man darauf geachtet haben, dass er für die Union zustimmungsfähig ist. In schlechter Erinnerung ist der Fall des Kandidaten Horst Dreier, der von der SPD als gesetzt vorgestellt wurde und gegen den dann eine konservative Christenfraktion in der Union wegen seiner Haltung zu Gendiagnostik und Stammzellforschung Sturm lief. Nicht nur Dreier wurde beschädigt, auch das ohnehin viel kritisierte und wenig transparente Verfahren der Richterwahl.

Mit Paulus hat sich ein hoch qualifizierter Jurist durchgesetzt, der in Göttingen öffentliches Recht und Völkerrecht lehrt. Habilitiert hatte er sich 2006 in München. Sein akademischer Lehrer war der renommierte Völker- und Europarechtler Bruno Simma, der heute als Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag tätig ist. Zuletzt publizierte Paulus auch zu Parlamentsrechten bei Bundeswehrauslandseinsätzen.

Jeder Richter verfügt nur über eine Stimme. Ob jemand Einfluss nehmen kann, hängt von seiner Fähigkeit ab, andere zu überzeugen. Erwartet wurde, dass die FDP ein juristisches „Schwergewicht“ entsenden würde. Ob Paulus sich dazu entwickelt, wird sich zeigen. Auf ihn bauen kann die FDP nicht. Im Amt pflegen sich Richter von ihren politischen Unterstützern zu emanzipieren. Größtes Ärgernis – für die Union – dürfte Präsident Papier selbst sein, der mit seinem Senat die Grundrechte gegen überzogene Anti-Terror-Gesetze verteidigt. Wie vielleicht auch am Dienstag.

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