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Bundeswehr: Auslandseinsätze laufen nicht rund

Ein Gutachten von deutschen Ex-Generälen zeigt Missstände bei Auslandseinsätzen auf. Zu bemängeln sind vor allem Führungsfehler, fehlende Abstimmung und übertriebene Bürokratie. Die Mißstände können schwere Folgen haben.

Berlin - Kosovo, Libanon, Afghanistan: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr stehen auf dem Prüfstand. Ein Gutachten von sieben deutschen Generälen, das dem Tagesspiegel vorliegt, kommt zu dem Ergebnis, dass bei den Auslandsmissionen der deutschen Streitkräfte keinesfalls alles rund läuft. Unter anderem bemängelt die vom Staatssekretär des Verteidigungsministeriums (BMVg) Peter Wichert im Februar 2007 eingesetzte Arbeitsgruppe um General a. D. Norbert van Heyst bei den deutschen Auslandsmissionen „Führungsfehler“, fehlende Abstimmung und übertriebene Bürokratie, die bei der Planung und Durchführung der Einsätze in verschiedenen Bereichen zu „Effizienzverlusten“ führten. Van Heyst war Oberbefehlshaber der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf. Für das Gutachten waren die Generäle zu Gast bei verschiedenen für die Durchführung von Auslandseinsätzen relevanten Bundeswehr-Standorten.

Das Grundproblem, das sich wie ein roter Faden durch das 55 Seiten starke Papier zieht, liegt nach Auffassung der Expertengruppe in den zerfaserten Befehlsstrukturen der deutschen Streitkräfte. So werden Auslandseinsätze nicht, wie bei anderen Nationen, von einem eigens dafür zuständigen Generalstab geplant und umgesetzt, sondern müssen zwischen BMVg, den Teilstreitkräften sowie dem Einsatzführungskommando in Potsdam abgestimmt werden. Ein solcher Einsatzführungsstab oder eine „in der Hierarchie des BMVg höher angesiedelte Operationsabteilung“, wie es in dem Gutachten heißt, könnte beispielsweise beim Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, untergebracht werden. Ein Entwurf, wie der Führungsstab organisatorisch und vor allem personell aussehen könnte, befindet sich nach Informationen des Tagesspiegels bereits in Arbeit: Deutschlands ranghöchster Militär wünscht sich dem Vernehmen nach „Weisungsbefugnis zu allen einsatzrelevanten Fragen“.

Mit Blick auf die derzeitigen Aufgaben des Einsatzführungskommandos sprechen die Generäle a. D. von einer „hohen Belastung“. Zur Entlastung der Potsdamer Zentrale schlagen sie unter anderem vor, „die Führung bestimmter Auslandseinsätze anderen Führungskommandos zu übertragen“. Dafür kämen allerdings in erster Linie Einsätze in Frage, die „von ihrer Aufgabenstellung her ausschließlich oder fast ausschließlich nur einen Organisationsbereich betreffen“. Dagegen sei es sinnvoll, dem Einsatzführungskommando künftig auch die Führung des Kommando Spezialkräfte (KSK) zu übertragen.

Derzeit wird das Spezialkommando, das unter anderem bei der von den Amerikanern geführten Antiterrormission „Enduring Freedom“ (OEF) in Afghanistan zum Einsatz kommt, von einer eigenen Zentrale, dem Kommando „Führung Operationen von Spezialkräften“ (FOSK), geführt. „Ein von der allgemeinen Operationsführung getrennter, operativer Führungsstrang (...) und die in der Regel mit den Einsatzkontingenten nicht abgestimmten Maßnahmen der Spezialkräfte können allerdings Gefahren für die Gesamtoperationen, die Kontingente sowie das Ansehen und den Erfolg der Missionen erzeugen“, heißt es dazu in dem Generalsgutachten. „Die Risiken dieser Lösung sind nach Auffassung der Arbeitsgruppe unvertretbar hoch.“

Interessanterweise waren die internen Organisationsstrukturen des Verteidigungsministeriums laut Gutachten nur dort Gegenstand der Untersuchung, wo die „Schnittstelle zwischen dem Ministerium und dem nachgeordneten Bereich“ tangiert wurde. „Die Einbeziehung des Bundesministeriums der Verteidigung (...) lag außerhalb des Mandats der Arbeitsgruppe.“

Überraschend erscheint zudem das Kapitel „Umgang mit den Medien“. Offenbar sehen die Bundeswehr-Generäle bei der insgesamt eher defensiven Informationspolitik der deutschen Streitkräfte Handlungsbedarf. Wenn man so will, fordern die Militärs diesbezüglich eine radikale Kehrtwende: „Die Arbeitsgruppe empfiehlt, offensiver gezielt Befehlshaber und Kontingentsführer oder deren Sprecher für die Informations- und Pressearbeit zur Verfügung zu stellen, um militärische Lageeinschätzungen der Öffentlichkeit mit Kompetenz aus erster Hand zu vermitteln.“

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