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Bundeswehr: Die "Truppe im Herzen"

Franz Josef Jungs Rundreise vor Weihnachten um den halben Erdball zu den deutschen Soldaten im Ausland war ein bisschen wie Bescherung.

Kabul/Islamabad - Nicht, weil Verteidigungsminister Jung (CDU) den Truppen in Dschibuti, Pakistan und Afghanistan Weißwürste, Bier oder eine Video-Leinwand mitbrachte. Für viele Soldaten fern der Heimat war die eigentliche Überraschung, dass der neue Minister überhaupt so schnell die Kontingente im Ausland besuchte. Auch wenn er am Donnerstag die Bundeswehrsoldaten der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) in Kabul nur so kurz traf, dass ihn viele gar nicht zu Gesicht bekamen.

Wichtig war die Geste dennoch. Ein Obergefreiter beschreibt sein Gefühl, dass die gefährlichen Auslandseinsätze inzwischen schon so selbstverständlich sind, dass die tausende von Kilometern entfernten Männer und Frauen zuhause vergessen werden. Ein Gefreiter sagt, er habe die nahbare Art von Jungs Vorgänger, Peter Struck (SPD), sehr gemocht und nun Bedenken vor einem kühlen Regiment. Ein anderer sieht es als «Pflicht» eines neuen Verteidigungsministers an, sich schnell den Soldaten vorzustellen, die ihr Land mit Leib und Leben vertreten. Dass der Minister nun da war und einen freundlichen Eindruck mache, stellt alle drei zufrieden.

Anders als in Dschibuti oder Islamabad bestimmt in Kabul die gefährliche Lage die Stimmung. Für Afghanistan ungewöhnlich häuften sich in jüngster Zeit Selbstmordanschläge im Land auch auf die ISAF, die schrittweise bis Ende 2006 für Sicherheit im ganzen Land sorgen soll. Von einer neuen «Qualität» der Gewalt ist die Rede. Während es früher bei der Bundeswehr hieß, die Lage in Afghanistan sei «ruhig, aber nicht stabil», sagt der Kommandeur des deutschen Kontingents, Achim Lidsba, inzwischen: «Die Lage ist nicht ruhig und nicht stabil.» Für ihn zählt nur der Auftrag der Bundeswehr: «Dass die Menschen in diesem Land wieder lächeln können.»

Zunächst wirkt es ein bisschen aufgesetzt, wenn der Verteidigungsminister erst knapp vier Wochen nach seiner Amtsübernahme sagt, dass er die «Truppe im Herzen» habe. Jung ist aber bisher der einzige Verteidigungsminister, der selbst in der Bundeswehr gedient hat. Das war 1968 und 1969. Seine Vorgänger kannten die Armee aus der Wehrmacht, wurden nicht gezogen oder für untauglich erklärt. Insofern hat der neue oberste Dienstherr die Truppe schon als kleinster Diener erlebt.

Die Soldaten im internationalen Anti-Terror-Einsatz am Horn von Afrika, bei der Erbebenhilfe in Islamabad, der Isaf in Kabul und der Missionen auf dem Balkan - dort war Jung bereits Anfang Dezember - haben einen engagierten Minister und die Begleiter einen gewieften Politiker erlebt, der diplomatisch sprechen kann, ohne etwas zu sagen. Die häufigsten Vokabeln des bisherigen hessischen Landespolitikers waren «positiv» und «dankbar». Das gefiel allen Adressaten. Und weil er gerade einmal 30 Tage im Amt ist, wurden von ihm auch keine konkreten Positionen verlangt. Das wird bald anders.

Jung hat sich als ein neuer Minister vorgestellt, der seine eigene Note hat, aber deshalb nicht gleich alles umwerfen will, was sein Vorgänger eingeleitet hat. Insofern können sich die Soldaten bei den Auslandseinsätzen und dem Umbau der Bundeswehr auf wichtige Kontinuität verlassen. Und dem ersten Anschein nach könnte Jung auch das von Struck aufgebaute gute Verhältnis zwischen Truppe und Minister bewahren.

Viele Soldaten jedenfalls, die den 56-Jährigen in den vergangenen fünf Tagen kennengelernt hat, sprachen von einem guten Start ihres Ministers. Auch wenn die Reise ein Kraftakt für Jung war: schneller hätte er keinen Draht zur Truppe legen können. Und damit war die Reise ein bisschen auch ein Weihnachtsgeschenk für ihn selbst. (Von Kristina Dunz, dpa)

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