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Gut getarnt. Eine Entscheidung über die Zukunft der Wehrpflicht stehe noch aus, sagte ein Ministeriumssprecher am Samstag. Foto: Frank May/dpa

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Bundeswehr-Diskussion: Wehrpflicht ade?

Die Bundeswehr-Diskussion sollte ergebnisoffen sein. Doch hinter den Kulissen steht die Entscheidung womöglich längst. Nach Merkels Bereitschaft zur Abkehr von der Wehrpflicht legte nun auch Karl-Theodor zu Guttenberg noch einmal nach.

Von Michael Schmidt

Berlin - Kommt das Ende der Wehrpflicht schneller als gedacht? Ist es womöglich längst beschlossene Sache? Formal sicherlich nicht. Aber am Freitag erst hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Bereitschaft zu einer Abkehr von der Wehrpflicht erkennen lassen. Und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der zuvor schon unter dem Eindruck der Sparauflagen seines Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) die Wehrpflicht infrage gestellt hatte, legte nun nach: Zwar werde es sie im Grundgesetz noch geben, aber „faktisch wird sie in zehn Jahren wohl abgeschafft sein“, sagte der Minister dem „Spiegel“.

„Bei einer hoch professionellen, bestens ausgerüsteten und flexiblen Einsatzarmee haben Sie kaum noch die Kapazitäten, Rekruten auszubilden“, sagte Guttenberg. Dass die Strukturen der Bundeswehr sich ändern müssten, sei eine „grundsätzlich erkannte Notwendigkeit“. „Wir müssen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge einsparen. Sparen ohne Reform ist nicht denkbar.“

Ein Drittes kommt hinzu, das den Verdacht nährt, das Verteidigungsministerium gehe bereits von der Abschaffung der Wehrpflicht und einer stark verringerten Truppenstärke aus: Generalinspekteur Volker Wieker wies am Donnerstag die Inspekteure der Teilstreitkräfte an, nur noch mit einer Truppenstärke von 150 000 Soldaten und ohne Rekruten zu planen. Für den Ministeriumssprecher ist das „die normale Folge“ des Auftrags, den die Kabinettsklausur der schwarz-gelben Regierung dem Hause Guttenberg erteilt hat: zu prüfen nämlich, wie eine verkleinerte Bundeswehr aussehen könnte. Jetzt sollten die Streitkräfte eben „Szenarien entwickeln und dem Minister Ergebnisse liefern“, auf deren Grundlage dann, und erst dann, politisch entschieden werde.

Für andere aber kommt Wiekers Anweisung einer Vorfestlegung in der vorgeblich doch „ergebnisoffenen“ Diskussion gleich. Der Unionsobmann im Verteidigungsausschuss, Ernst-Reinhard Beck (CDU), zeigte sich entsetzt. „55 Jahre ist die Union die Partei der Wehrpflicht gewesen und plötzlich geben wir das wegen eines Spardiktats auf. Das kann doch nicht sein“, sagte Beck der „Frankfurter Rundschau“, die berichtete, 40 000 Berufs- und Zeitsoldaten sollten bis 2014 entlassen – und neue Rekruten schon von nächstem Jahr an nicht mehr eingezogen werden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder übte scharfe Kritik am „überfallartigen“ Vorgehen Guttenbergs. „Ich bin überzeugt, dass die Wehrpflicht erhalten bleiben muss“, stellte der Unions-Fraktionschef klar. SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte dem Tagesspiegel, er fühle sich „als Parlamentarier – wie wohl auch viele Soldaten – allmählich veräppelt“. Den einen Tag werbe der Minister im Bundestag für das Gesetz zur Verkürzung des Wehrdienstes und spreche dabei von „Planungssicherheit“, den anderen mache er deutlich, schon ganz bald etwas ganz anderes zu wollen: „Das hat mit Seriosität nichts zu tun“, sagte Arnold, der fehlenden Gesprächs- und Kooperationswillen Guttenbergs beklagt. „So darf man mit diesem Thema schon vom Verfahren her nicht umgehen“, sagt der SPD-Politiker. Guttenberg nehme offensichtlich seine eigene Kommission nicht ernst, die im September zum Beginn der Haushaltsberatungen im Parlament ihre Ergebnisse vorstellen soll. Statt die abzuwarten, presche er mit einer „geradezu panischen, hektischen Reaktion“ vor, ausgehend von haushalterischen Überlegungen. Eigentlich, sagt Arnold, müsste der Planungsablauf doch folgender sein: Zunächst gelte es zu klären, welche Rolle Deutschland in der Welt spielen wolle und solle, dann, was Deutschland leisten müsse und könne – und schließlich, was davon finanziell realisierbar sei. Doch der Minister mache es genau umgekehrt.

Für FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff sind Guttenbergs Überlegungen und Wiekers Anweisung dagegen „der einzig logische Ausweg“ aus dem „Dilemma“, in dem der Minister sich befinde: einem schweren Erbe und aktuellen Sparauflagen „in exorbitanter Höhe“. Von seinen Vorgängern habe Guttenberg eine Bundeswehr übernommen, die, schlecht ausgebildet und falsch ausgerüstet, ihrer Aufgabe als Armee im Einsatz kaum habe gerecht werden können; vom Finanzminister den Auftrag, Milliarden einzusparen. Das, sagt Hoff, gehe nur übers Personal. Also entweder durch weniger Berufs- und Zeitsoldaten – doch die seien es ja gerade, die den Kernauftrag der Bundeswehr im Einsatz erfüllten. Oder eben durch die Abschaffung der Wehrpflicht. Sparen und die Bundeswehr erhalten, so wie sie ist, und „die Wehrpflicht unter Artenschutz stellen“ – das passe nicht zusammen.

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