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Bundeswehr-Einsatz: Das tägliche Risiko der Soldaten in Afghanistan

Am Hindukusch arbeiten afghanische und deutsche Spezialeinheiten zusammen. Der Tod eines deutschen KSK-Soldaten macht wieder einmal deutlich, wie gefährlich die Aufgabe ist.

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Die Lage in Afghanistan schien sich zu beruhigen. Doch diese Hoffnung war trügerisch. Am Wochenende starben außer einem deutschen Elitesoldaten der Einheit KSK in Baghlan auch fünf US-Soldaten bei einem Anschlag im Süden des Landes. Zwei weitere Amerikaner wurden von einem afghanischen Kameraden erschossen. Es war damit der bislang verlustreichste Tag der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf in diesem Jahr. Auch zwei deutsche Hubschrauber gerieten in der Nacht zu Sonntag auf dem Flug von Nordafghanistan in die Hauptstadt Kabul unter Beschuss. Am vergangenen Donnerstag war außerdem erstmals seit längerer Zeit ein Sprengstoffanschlag auf die Bundeswehrtruppen im Nordafghanistan verübt worden. Dabei wurde aber kein Soldat verletzt.

Der getötete KSK-Soldat war nach Auskunft des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr bereits seit Freitag rund 25 Kilometer nördlich des deutschen Außenpostens OP North mit deutschen und afghanischen Spezialeinheiten unterwegs – dem Vernehmen nach auf der Jagd nach Aufständischen. Als diese am Samstag an einer Flussquerung das Feuer eröffneten, forderten die Afghanen Unterstützung aus der Luft an. Die Nato schickte daraufhin ein Flugzeug. Als die afghanischen und deutschen Bodentruppen das von dem Kampfjet beschossene Gebiet erkundeten, gerieten sie erneut ins Kreuzfeuer der Aufständischen, bei dem der deutsche KSK-Soldat getötet wurde.

Im Visier. Bundeswehrsoldaten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf im Dezember 2012 bei einer Übung am deutschen Außenposten OP North.
Im Visier. Bundeswehrsoldaten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf im Dezember 2012 bei einer Übung am deutschen Außenposten OP North.

© Reuters

Vor einer Woche hatten die Taliban ihre jährliche Frühjahrsoffensive angekündigt. Ein Jahr vor dem offiziellen Abzug der Isaf-Truppen wollen sie sich ihrer eigenen Propaganda zufolge künftig verstärkt auf ihren künftigen Hauptgegner konzentrieren: afghanische Armee- und Polizeikräfte. „Möglicherweise testen sie, wie stark die afghanischen Truppen sind und wie groß die Unterstützung durch die Isaf noch ist“, sagt Afghanistan-Experte Thomas Ruttig.

Der Vorfall in Baghlan zeigt, dass die Unterstützung derzeit offenbar noch sehr weit geht. Offiziell führen die Afghanen zwar inzwischen die meisten Militäroperationen selbst, doch sie werden nach wie vor von Isaf-Soldaten begleitet und unterstützt. Der deutsche KSK-Soldat war nach Tagesspiegel-Informationen gemeinsam mit afghanischen Soldaten und der sogenannten „Crisis Response Unit (CRU), einer Sondereinheit der Polizei im Einsatz, die auch schon bei großen Taliban-Angriffen in Aktion getreten ist. Diese ist laut Generalleutnant Fritz, dem Chef des Einsatzführungskommandos, deutlich besser ausgebildet und ausgerüstet als „normale“ afghanische Polizisten und darf nur auf Befehl des jeweiligen Provinzpolizeichefs eingesetzt werden. Bei der Nato hieß es am Sonntag lediglich, bei dem in Baghlan eingesetzten Personal habe sich um „afghanische Spezialkräfte“ gehandelt.

Das OP North gilt nach Aussage des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold im Norden Afghanistans als Brennpunkt. Der deutsche Außenposten soll nach den Plänen der Bundeswehr im Rahmen des Abzugs aus Afghanistan in den kommenden Monaten geschlossen werden; Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bei einem Besuch des OP North Anfang März dieses Jahres angekündigt, der Abzug von dem strategisch wichtigen Beobachtungsposten werde unmittelbar nach seiner Abreise beginnen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind allerdings immer noch Bundeswehrsoldaten im OP North stationiert – in welcher Stärke, wollen die deutschen Streitkräfte nicht preisgeben.

In der Provinz Baghlan ist die Lage nach Einschätzung von Ruttig unübersichtlich. Dort kämpften verschiedene aufständische Gruppen teils gegeneinander, teils gemeinsam gegen Regierungstruppen. Um Herr der Lage zu werden, würden afghanische Sicherheitskräfte auch Deals mit einzelnen Gruppen eingehen, die aber nicht immer von langer Dauer seien, erläutert Ruttig, Ko-Direktor des „Afghanistan-Analysts-Network“ (AAN), einem gewöhnlich gut unterrichteten Think Tank. Mitunter würden ehemalige Aufständische auch in offizielle Einheiten integriert, erläutert Ruttig. Ob diese im Ernstfall wirklich loyal sind, ist allerdings fraglich. „Wenn die Regierung in Kabul ins Wanken gerät, könnten auch die Sicherheitskräfte auseinanderbrechen.“ Ein Bürgerkrieg wäre dann wohl nicht mehr zu verhindern.

Ein weiteres Problem: Neben der offiziellen afghanischen Armee (ANA) und der Polizei gibt es auch Einheiten, die nicht unter der Kontrolle der Regierung in Kabul stehen, sondern zum Teil vom US-Geheimdienst CIA geführt werden. Menschrechtsorganisationen werfen diesen Milizen schwere Vergehen vor. Auch die Bundeswehr soll am Aufbau solcher Hilfstruppen beteiligt gewesen sein. Das Afghanistan-Analysts-Network berichtet, dass die Bundeswehr im Norden zumindest in der Vergangenheit mit einer Gruppe aus dem CIPP (Critical Infrastructure Protection Project) kooperiert hat, die zeitweise über 1800 Kämpfer verfügt haben soll. Sie wurden ausgebildet, wichtige Infrastrukturobjekte wie etwa Brücken zu schützen und fromal den regionalen Polizeichefs unterstellt. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat allerdings die Auflösung dieser und anderer Milizen verlangt, was im Fall CIPP offiziell offenbar auch geschah. „Laut deutschen Quellen endete das CIPP Ende September dieses Jahres,“ hieß es 2012 in einem Blog von Afghanistan-Analysts-Network. Tatsächlich existieren viele Milizen aber wohl unter neuen Namen weiter.

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