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Der Verteidigungsminister will einen "Schnupper-Wehrdienst" anbieten.

© dpa

Bundeswehr: Guttenberg plant freiwilligen "Schnupper-Wehrdienst"

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Familienministerin Schröder schlägt für diesen Fall einen freiwilligen Zivildienst vor.

Die Bundeswehr steht vor dem tiefgreifendsten Umbruch in ihrer 55-jährigen Geschichte. Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Der CSU-Politiker stellte seine Pläne am Montag den Koalitionsfraktionen vor, nachdem er bereits am Wochenende Bundeskanzlerin Angela Merkel informiert hatte.

Die CDU-Chefin will sich zwar noch nicht auf ein Modell festlegen zeigt sich aber offen für ein Aussetzen der Wehrpflicht. Gleichzeitig bringen sich in der Union die Befürworter des Pflichtdienstes an der Waffe in Stellung. Mit der von Guttenberg für Mitte nächsten Jahres geplanten Aussetzung der Wehrpflicht würde auch der Zivildienst wegfallen. Die Wohlfahrtsverbände haben bereits massive Bedenken angemeldet.

Guttenberg präsentierte den Koalitionsexperten insgesamt fünf Modelle, machte aber seine Präferenz unmissverständlich klar. Nach seinen Vorstellungen soll die Truppe in den nächsten Jahren von derzeit 252.000 auf bis zu 163.500 Soldaten verkleinert werden.

Allerdings soll es einen Spielraum nach oben geben. Bis zu 180.000 Soldaten sind nach Guttenbergs Auffassung unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung möglich. Allerdings würde das auch teurer werden.

7500 Freiwillige sowie 156.000 Berufs- und Zeitsoldaten

Die Wehrpflicht soll zwar im Grundgesetz verankert bleiben, es sollen jedoch keine jungen Leute mehr gegen ihren Willen eingezogen werden. Der Verteidigungsminister will aber einen freiwilligen "Schnupper-Wehrdienst" mit einer Länge von 12 bis 23 Monaten anbieten, der vor allem dazu dienen soll, Nachwuchs für die Berufsarmee zu rekrutieren. Auch Frauen sollen sich dafür freiwillig melden können. Das Verteidigungsministerium geht in seiner Modellrechnung von 7500 Freiwilligen sowie 156.000 Berufs- und Zeitsoldaten aus.

Das einzige ernstzunehmende Konkurrenzmodell sieht eine Armee mit 210.000 Soldaten, davon 30.000 Wehrpflichtige, vor. Andere Optionen wie etwa die Verkleinerung der Bundeswehr auf nur noch 150.000 Soldaten haben dagegen keine Chance. Guttenberg will die Bundeswehr mit der Reform leistungsfähiger, effizienter, moderner und kompakter machen. Ihre Rolle in der Nato soll nach seinen Vorstellungen nicht geschwächt, sondern gestärkt und die Einsatzfähigkeit deutlich erhöht werden. Derzeit können nur 7000 bis 8000 Soldaten in Auslandseinsätze geschickt werden. Die Union ist in der Frage der Wehrpflicht gespalten.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) forderte seine Partei am Montag zu einer gründlichen Debatte auf. "Ich darf nur daran erinnern, dass unsere CDU seit 1955 immer die Partei der Wehrpflicht war", sagte er. "Dass ich ein Befürworter der Wehrpflicht bin, ist bekannt." Hessens scheidender Regierungschef Roland Koch (CDU) betonte: "Wir haben nur sehr wenig finanzielle Mittel, aber wir müssen die Bundeswehr in der Gesellschaft weiter fest verankern." Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU), machte erneut erhebliche Bedenken gegen ein Aussetzen der Wehrpflicht deutlich. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht für mich ein Aussetzen nicht zur Diskussion." Denkbar sei ein solcher Schritt frühestens im nächsten Jahr, wenn nach einer ausführlichen Debatte in der Union klar sei, dass dies "die übereinstimmende Meinung in unserer Partei, CSU und CDU, ist".

Ministerin schlägt freiwilligen Zivildienst vor

Im Fall einer Aussetzung der Wehrpflicht peilt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) einen bundesweiten freiwilligen Zivildienst an. Rund 35.000 Frauen und Männer könnten dafür pro Jahr voraussichtlich gewonnen werden, sagte Schröder am Montag in Berlin. Der Dienst in sozialen Einrichtungen könnte von 6 bis zu in Ausnahmefällen 24 Monate dauern und mit rund 500 Euro im Monat entlohnt werden. Auch ältere Menschen sollten einbezogen werden.

„Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass wir das, was wir heute haben, komplett ersetzen können“, räumte Schröder ein. Allerdings gelte das Primat der Verteidigungspolitik. „Sie können mit dem Zivildienst nicht die Wehrpflicht begründen.“

Merkel unterstützt "neues Denken"

Merkel will über eine Aussetzung der Wehrpflicht erst nach intensiver politischer Debatte entscheiden. "Die Bundeskanzlerin wird sich und kann sich da in dieser Phase vor einer breiten Diskussion in den Parteien natürlich nicht festlegen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Kanzlerin sehe aber durchaus einen "Ausgangspunkt" für eine Reform und unterstütze "neues Denken".

Nach der bisherigen Beschlusslage des Kabinetts soll die Reform bis 2014 rund 8,3 Milliarden Euro einsparen. Kanzlerin Merkel hat aber bereits deutlich gemacht, dass dieser Betrag verringert werden könnte. Der Verteidigungsminister will seine Reform noch in diesem Jahr durchsetzen. Entscheidend werden die Parteitage von CSU und CDU im Oktober und November sein.

Die FDP ist wie Guttenberg für ein Aussetzen der Wehrpflicht. Auch die SPD will den Pflichtdienst wie Guttenberg durch einen freiwilligen Wehrdienst ersetzen. Grüne und Linke sind für eine Abschaffung der Wehrpflicht. (dpa)

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