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Marine

© dpa

Bundeswehr: Piraten und Paragrafen

Die Bundeswehr soll sich im Kampf gegen Seeräuber engagieren – das deutsche Strafrecht steht im Weg.

Wenige Wochen vor dem Beginn der geplanten EU-Anti-Piraterie-Mission am Horn von Afrika stellen vor allem rechtliche Unklarheiten eine deutsche Beteiligung in Frage. Die Operation „Atalanta“ soll laut Beschluss der EU-Außenminister im Dezember beginnen. Bis zu zehn Länder wollen sich mit Kriegsschiffen und Flugzeugen an der Mission beteiligen. Das am Montag in Brüssel vereinbarte Mandat der Europäischen Union befugt die beteiligten Nationen, vor der Küste Somalias gegen Piraten vorzugehen – wenn nötig auch durch die Anwendung von Gewalt.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte für den Einsatz bereits vor Wochen eine deutsche Fregatte zugesagt. Allerdings machte Rüdiger Wolf, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung in Berlin deutlich, dass es dazu wegen rechtlicher Unklarheiten womöglich gar nicht kommt. „Die EU-Diplomaten haben es sich leicht gemacht“, kritisierte Wolf die Brüsseler Entscheidung. „Es gibt zwar eine gemeinsame Beschlusslage, aber keine Einigkeit darüber, was die einzelnen Teilnehmer tun dürfen.“ Laut EU-Plan soll bei der Anti-Piraterie-Mission am Horn von Afrika jeweils nationales Strafrecht zur Anwendung kommen – die beteiligten Länder sollen selbst klären, wie sie mit Piraten umgehen. „Ich halte das nicht für opportun“, sagte Wolf. „Wir müssen klipp und klar wissen, welche Zuständigkeiten unsere Soldaten haben“, sagte Wolf mit Blick auf die deutsche Beteiligung. „Ansonsten fährt kein deutsches Schiff ans Horn von Afrika.“

Das Einsatzgebiet der geplanten Anti-Piraterie-Mission reicht nach Informationen des Tagesspiegels in Nord- Süd-Richtung von Oman bis vor die Küste Tansanias, in West-Ost-Richtung bis 500 Seemeilen vor die Küste Somalias (siehe Grafik). Durch den Einsatz will die EU vor allem Frachtschiffe und Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen auf dem Weg nach Somalia vor Seeräuberübergriffen schützen. Der Bundestag plant, für diese Militärmission ein eigenes Mandat zu verabschieden.

Obwohl Auswärtiges Amt, Bundesverteidigungsministerium, Innen- und Justizministerium seit Monaten mit der Vorbereitung der Mission befasst sind, ist beispielsweise immer noch unklar, ob deutsche Marinesoldaten am Horn von Afrika Piraten festnehmen dürfen – oder Beamte der Bundespolizei diesen Part übernehmen müssen. Laut „Spiegel“ dürfen die Soldaten der Marine der Piraterie verdächtige Personen nur kurzfristig festhalten. Nur ein eingeschiffter Polizist sei befugt, förmlich eine Festnahme auszusprechen. Auch ist bislang nicht geklärt, wie der im deutschen Strafrecht verankerten Regelung Rechnung getragen werden kann, dass Festgenommene innerhalb von 48 Stunden einem Richter zugeführt werden müssen. Verbrechen auf See liegen im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Hamburg – die Entsendung eines Ermittlungsrichters ans Horn von Afrika kommt nach Einschätzung von Experten aber nicht infrage. Stattdessen wird von den deutschen Planern offenbar erwogen, Verdächtige mit Hilfe eines Dolmetschers via Videoschaltung zu vernehmen.

Nach deutschem Strafrecht kann ein Ermittlungsrichter bei hinreichendem Verdacht Untersuchungshaft anordnen – ein Befehl, der Deutschlands Soldaten am Horn von Afrika in Schwierigkeiten bringen könnte. Denn auf deutschen Kriegsschiffen gibt es keine Arrestzellen, in denen Verdächtige festgehalten werden können. Die zum Kampf gegen Piraten eingesetzten Fregatten müssten also entsprechend umgerüstet werden.

Trotz der vielen offenen Fragen in Sachen Pirateriebekämpfung ist für Verteidigungsstaatssekretär Wolf wenigstens eines klar: Wenn „Atalanta“ wie geplant und mit deutscher Beteiligung im Dezember starten soll, muss die Politik auf die Tube drücken: „Die Zeit wird knapp.“

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