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Neue Diskussion über Aufstellung der Bundeswehr. Die SPD fordert eine Überprüfung der Entscheidungen darüber, welche Kaserne geschlossen werden soll und welche nicht.

© dpa

Bundeswehr: SPD stellt Standortschließungen in Frage - Union will keine Reform der Reform

Die Bundeswehr rüstet sich - sie soll kleiner, moderner, effizienter werden. Jetzt fordert die SPD Teile des Umbaus auf den Prüfstand zu stellen. Der Koalitionspartner ist wenig begeistert.

Von
  • Michael Schmidt
  • Robert Birnbaum

Die SPD will Teile der Bundeswehrreform überprüfen, stellt dabei auch die Schließung von Standorten infrage - und hofft, eine Debatte über Sinn und Zweck der Bundeswehr anzustoßen. Es sei "notwendig, dass wir in Deutschland eine breite gesellschaftliche Debatte darüber führen, wie unsere Rolle in der Welt ist, sein sollte und wie wir diese konkret ausfüllen wollen", heißt es in einem Eckpunktepapier der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion. "Dazu gehören in einem ganzheitlichen Ansatz auch militärische Mittel. Es kann sogar zweckmäßig sein, sich an einigen Einsätzen verstärkt, an anderen punktuell oder an neuen Einsätzen gar nicht zu beteiligen", heißt es erläuternd. "Wir fordern die Bundesregierung auf, hier den Aufschlag von Bundespräsident Gauck von der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 aufzunehmen und eingebunden in eine breite gesellschaftliche Debatte auch den Anteil der Bundeswehr daran kritisch und ergebnisoffen zu diskutieren." Die Herausforderungen der Cyber-Sicherheit seien in eine solche Debatte einzubeziehen.

Wozu Bundeswehr? SPD will breite Debatte

In einem zweiten Positionspapier zur Nachsteuerung der Stationierungsentescheidungen regen die Autoren an, sowohl Entscheidungen zur Ausrüstung als auch zu Standorten zu überdenken oder zu verändern. "Es ist nicht unser Bestreben, bereits vollzogene Entscheidungen rückgängig zu machen", heißt es ausdrücklich - aber "wir werden die Standortentscheidungen, die noch nicht eingenommen worden sind, auf Effizienz und tatsächliche Notwendigkeit hin überprüfen lassen.“ Zwar wolle man den Betroffenen weiter Planungssicherheit bieten, doch sei man „bei einigen Standortentscheidungen“ nicht der Auffassung, dass alle selbst auferlegten Kriterien des Verteidigungsministeriums „auch wirklich beachtet und sorgfältig gegeneinander abgewogen wurden“. Als „Beispiele für einen erneuten Überprüfungsbedarf“ werden mehrere Vorhaben genannt, darunter die Verlegung der Fallschirmspringerausbildung aus Altenstadt in Oberbayern, die Verlegung der 1. Panzerdivision von Hannover nach Oldenburg, der Umzug des Stabes einer Panzergrenadierbrigade von Torgelow nach Neubrandenburg und einer Panzerbrigade von Amberg nach Cham.

Unions-Verteidigungsexperten reagierten demonstrativ gelassen auf die SPD-Forderungen und verwiesen auf den Koalitionsvertrag. "Die von der SPD in einem Positionspapier vorgelegten Thesen sind nicht neu. Schon bei den Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr stießen diese Vorschläge bei keinem der Verhandlungspartner auf Gegenliebe und wurden einvernehmlich verworfen", sagt etwa Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Die Forderungen sind zum größten Teil strukturrelevant und führten zu einem neuen Zuschnitt der Teilstreitkräfte verbunden mit Veränderungen von gerade eingenommen Strukturen. Dies ist schon vor dem Hintergrund der Fürsorge gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten sowie deren Familien nicht zu verantworten." Wo sich im Rahmen der reformbegleitenden Evaluierung Änderungsbedarf ergebe, müsse natürlich nachgesteuert werden - hier sei die Union gesprächsbereit. Aber "eine weder finanziell hinterlegte noch an den sicherheitspolitischen Herausforderungen ausgerichtete Änderung der Struktur nur um der Änderung willen tragen wir nicht mit", sagte Otte.

Ingo Gädechens, CDU-Obman im Verteidigungsausschuss, sagte dem Tagesspiegel, er begrüße, dass der Koalitionspartner "sich proaktiv in die Diskussion einbringe und selber Gedanken entwickle", aber " eine "Reform der Reform" werde es nicht geben. "Die Soldaten und Soldatinnen hätten kein Verständnis für eine Diskussion, die mitten im laufenden Verfahren alles in Frage stellt", sagte Gädechens. Das werde auch nicht passieren. Jetzt die Standortfrage noch einmal aufzuwerfen sei müßig - die Argumente Für und Wider zur Schließung eines jeden betroffenen Standorts seien im Rahmen der Reformdebatte ausgetauscht worden, die einzelnen Schließungsentscheidungen "nachhaltig und stichhaltig begründet" worden.

Rüstungsvorhaben auf dem Prüfstand

Tatsächlich stellen die SPD-Verteidiger die Reform von Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) nicht komplett infrage. In einigen Teilbereichen tun sie es aber durchaus. Die Sozialdemokraten wollen das Hubschrauber-Geschäft mit Airbus wieder aufschnüren und den Bestand an „Eurofighter“-Kampfflugzeugen mittelfristig absenken zugunsten einer Modernisierung der Boden-Luft-Verteidigung auf Basis des weitgehend fertig entwickelten Meads-Systems. Konkret: Wenn die „Eurofighter“ der ersten Auslieferungstranche ihr Plansoll erfüllt hätten, solle man sie stilllegen und nicht für teures Geld noch einmal renovieren. Bei den Hubschraubern ist der sogenannte „Global Deal“ mit Airbus Arnold schon lange ein Dorn im Auge. In dem Paket hatte de Maiziére mehrere Einzelfragen gebündelt – die Bundeswehr verzichtet auf 23 der ursprünglich 80 bestellten Kampfhelikopter „Tiger“ und auf 40 Transporthubschrauber NH-90, spart 200 Millionen Euro und bestellt zugleich 18 NH-90 in einer Marinevariante namens „Sea Lion“. Den wolle die Marine aber gar nicht, sagt Arnold. Die Bundeswehr solle lieber die 40 abbestellten NH-90 doch wieder abnehmen – in Kooperation mit Nato-Nachbarn wie den Niederlanden oder Polen – und den Marine-Helikopter gegebenenfalls neu ausschreiben.

SPD macht sich für Rüstungsindustrie stark

Besonderes Augenmerk legt die SPD-Arbeitsgruppe in ihrem Eckpunktepapier auch auf den Zustand der deutschen Rüstungsindustrie und die Folgen der Bundeswehrreform und den Zwang der Haushaltskonsolidierung für den Technologiestandort Deutschland: "Für die deutsche wehrtechnische Industrie hat die derzeitige Neuausrichtung der Bundeswehr gravierende Folgen. Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr allein können die wehrtechnische Industrie nicht mehr auslasten. Dies hat auch Auswirkungen auf deren Kernfähigkeiten, welche von den militärischen Kernfähigkeiten Deutschlands und unserer Verbündeten und Partner abgeleitet werden müssen", heißt es in dem Papier. "Wir bekennen uns zur politischen Verantwortung gegenüber der wehrtechnischen Industrie und dem damit verbundenen Technologiestandort Deutschland. Es bedarf aber einer Neudefinition der industriellen Kernfähigkeiten, die für die Einsatzbereitschaft und -fähigkeit europäischer Streitkräfte zwingend notwendig sind."

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