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Bundeswehr: Volle Kraft

Die deutsche Marine ist in den Kampf gegen Piraten im Golf von Aden aufgebrochen.

Djibouti - Ein zwei Meter hoher Weihnachtsbaum schmückt den Funkmast der Fregatte „Karlsruhe“, als sie am Dienstag in den Golf von Aden zur Piratenjagd aufbricht. Auch im Hubschrauberhangar leuchtet ein kleiner Plastikweihnachtsbaum mit elektrischen Kerzen. „Wir wollen wenigstens etwas Weihnachtsstimmung aufkommen lassen“, sagt der Kommandeur der „Karlsruhe“, Fregattenkapitän Hans-Joachim Kuhfahl. Und er verspricht auch noch ein Krippenspiel über die Weihnachtstage – „wenn es die operative Lage zulässt“.

In den kommenden Wochen werden die 220 Marinesoldaten an Bord des 130 Meter langen Schiffes auf Piratenjagd gehen – mit dem „robustesten Mandat“ in der Geschichte der Bundeswehr, wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zur Verabschiedung hervorhob. Schließlich gilt die „Hauptschlagader“ des Welthandels am Horn von Afrika mit 25 000 Schiffsbewegungen pro Jahr als extrem „piratenverseucht“: Zwölf Schiffe und fast 300 Seeleute sind noch immer in der Gewalt von Seeräubern.

„Früher hieß es bei der Piratenjagd ,verbrennen oder versenken‘“, sagt ein Bundeswehroffizier mit Blick auf die vergangenen Jahrhunderte, in denen das Horn von Afrika schon Schauplatz blutiger Gefechte war. Mittlerweile sei es „wesentlich zivilisierter“ geworden. Heute lautet der vom Bundestag erteilte Auftrag: „Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen“.

Es ist der sonst in seiner Wortwahl vorsichtige Verteidigungsminister Jung, der das Wort „Kampfeinsatz“ in den Mund nimmt. Im Gegensatz zu bisherigen Auslandseinsätzen will er von vornherein klarstellen, dass die Marine nicht nur zum „Helfen, Schützen und Vermitteln“ da ist, sondern auch zum Kämpfen. Auch wenn „natürlich“ der Schwerpunkt auf der Abschreckung liege, wie er hinzufügt.

Dazu ist die „Karlsruhe“ dem Marineverband der Europäischen Mission unterstellt, der seit Monatsbeginn unter dem Codenamen „Atalanta“ Jagd auf die Piraten macht. „Die Zahl der Überfälle auf See ist in diesem Jahr nicht nur hochgeschnellt, sie ist regelrecht explodiert“, sagt ein Bundeswehroffizier und verweist auf fast 250 Attacken auf Zivilschiffe. 48 davon waren der offiziellen Statistik zufolge „erfolgreich“ – Boot und Besatzung wurden gekapert und erst nach Lösegeldzahlung wieder freigelassen.

„Wir gehen davon aus, dass allein in den Monaten Januar bis Oktober 65 Millionen US-Dollar an Lösegeld geflossen sind“, sagt der Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Hans-Joachim Stricker. Genau kennt die Zahl keiner, denn betroffene Reedereien reden nicht gern über Zahlungen, die meistens in Dschibuti in einem Edelhotel in der Nähe des Hafens abgewickelt werden.

Die meisten Piratenüberfälle werden vor der somalischen Küste gemeldet – einem Land, das seit 18 Jahren keine Regierung mehr besitzt und als „gescheiterter Staat“ gilt. Mit Seeräuberei „verdienen“ die verschieden Clans geschätzt mindestens dreimal so viel wie Somalia Staatseinnahmen hat. Daher haben die UN im Herbst quasi „Feuer frei“ gegeben auf Piraten. Seit Anfang Dezember ist die EU dort mit einem eigenen Marineverband engagiert, zu der nun auch ein deutsches Kriegsschiff gehört.

Abseits der Weihnachtsstimmung an Bord laufen bei fast 30 Grad die Vorbereitungen für den Ernstfall. Was tun, wenn Piraten aufgebracht werden? Dass es so kommen kann, daran lässt Kuhfahl keinen Zweifel. Man werde ein „ernsthaftes Signal“ setzen, sagt der Kommandant der „Karlsruhe“. Soldaten zeigen auf die 76-Millimeter-Kanone und sind sicher: damit reicht ein Schuss vor den Bug. „Dann halten die schon an.“

Während für die Marinesoldaten in einem solchen Fall der Auftrag schon fast erfüllt ist, beginnt für den juristischen Dienst der Hindernislauf: Festnehmen geht nicht, das ist nach deutschem Recht der Polizei vorbehalten. Also ist im Mandat von Festhalten die Rede – ein sogenanntes Jedermannsrecht. „Wir reden hier lieber von Ingewahrsamnahme“, sagt ein Jurist. Das entspreche der völkerrechtlichen Norm. Untergebracht werden sollen die Verdächtigen zunächst auf dem Oberdeck, bevor sie in Dschibuti der Bundespolizei übergeben werden – sollten deutsche Interessen betroffen sein.

Zuständig für die Verfolgung von Straftaten auf See ist dann die Staatsanwaltschaft Hamburg, die künftig auch Fälle von Piraterie behandeln müsste. „Nur kennt das deutsche Strafrecht nicht den Begriff Piraterie“, erläutern Juristen. Dennoch sei eine Aburteilung möglich: Allein für den „gefährlichen Eingriff in den Seeverkehr“ drohen mindestens fünf Jahre. Versuchter Mord oder Totschlag wären weitere mögliche Anklagepunkte. Für Jung geht dieses Verfahren in Ordnung: Nichts werde weniger gebraucht als ein „Guantanamo auf See“.

Die Feldjäger müssen dazu an Bord die Beweissicherung übernehmen. Ein Piratenschiff nach Deutschland zu schleppen, wäre ein zu großer Aufwand – „im Zweifelsfall wird es, nachdem eindeutige Spuren gesichert und es dann leer geräumt wurde, unter Wasser gedrückt. So etwas können wir nicht einfach treiben lassen“, erklären Soldaten. Die Mannschaft der „Karlsruhe“, seit Monaten auf See, fühlt sich herausgefordert: „Wir sind vorbereitet“, sagen sie vor dem Auslaufen augenzwinkernd: „Jetzt muss der Pirat nur noch kommen.“ André Spangenberg, ddp

André Spangenberg[ddp]

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