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© dpa

Bundeswehreinsatz: Zeit der Entscheidung in Afghanistan

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan erfährt eine neue Dimension: Ein Toter und neun Verletzte durch zwei Attacken der Taliban an einem Tag, alles generalstabsmäßig geplant. Deutschland muss sich über seine Strategie klar werden.

Die Aktionen militärisch geplant und durchgeführt, wobei zum ersten Mal ein deutscher Soldat in einem direkten Feuergefecht getötet wird; und das Ganze während des Besuchs des Außenministers am Hindukusch in bester Kriegspropaganda ausgeschlachtet. Das zeugt von ungeheurem Selbstbewusstsein der radikalislamischen Kämpfer. Und es gibt einen Vorgeschmack auf das, was Deutschland in den nächsten Monaten zu erwarten hat.

Die ohnehin auch im Norden des Landes – dem Einsatzgebiet der 3730 deutschen Soldaten – schon kritische Lage bekommt zusätzliche Brisanz durch mehrere Aspekte. Am 20. August sollen die Afghanen ein neues Staatsoberhaupt wählen. Die Taliban werden versuchen, diesen demokratischen Akt nach Kräften zu torpedieren und dabei auch die Bundeswehr zunehmend ins Visier nehmen. Sie wissen sehr wohl, dass wenig später auch in der Bundesrepublik gewählt wird und nichts die Stimmung gegen den Einsatz so gut beeinflussen kann, wie die Bilder von Särgen deutscher Soldaten.

Die Skepsis, die Zweifel und die in vielen Punkten berechtigten Einwände, die das deutsche Engagement auch quer durch alle Parteien seit seinem Beginn im Jahr 2002 begleiten, werden in einer wichtigen Phase der Mission unter dem Dach der Nato zu einem Unsicherheitsfaktor, der den gesamten Einsatz infrage stellen könnte. Die Bundesregierung verkauft an der Heimatfront gerne die Erfolge, die man mit dem Ansatz der „vernetzten Sicherheit“ – also dem durch militärische Präsenz abgesicherten zivilen Aufbau – in Nordafghanistan erzielt habe. Dabei hat Deutschland bei einer der wichtigsten übernommenen Aufgaben, der Ausbildung der Polizei, weitgehend versagt. Aber gerade die Polizei soll so schnell wie möglich mehr Verantwortung übernehmen und zur Stabilisierung des Landes beitragen. Wohlgemerkt: Zur Stabilisierung. Von Standards westlicher Gesellschaften für ganz Afghanistan wagt niemand mehr zu sprechen – auch Amerika nicht.

In zwei wichtigen Punkten ist der US-Präsident nun zu neuen Einsichten gekommen. Gegenüber dem immer instabileren Pakistan schlägt Washington einen erkennbar kritischeren Kurs an. Zudem soll den Taliban der Geldhahn abgedreht werden, in dem US-Truppen massiv gegen die Drogenproduktion vorgehen. Geschätzt wird, dass die Extremisten jährlich mehr als 300 Millionen Dollar daran verdienen und so ihre Kriegsmaschinerie finanzieren. Die Bundesregierung lehnt den Einsatz der Bundeswehr im Anti-Drogen-Kampf ab und verweist auf den eigenen Beitrag, der in der Ausbildung der Polizei bestehe. Die Angst ist groß, auch die „normale“ Bevölkerung, die Mohnbauern, gegen sich aufzubringen. Wer sich aber nicht beteiligt, hat keinen Einfluss darauf, wie der Anti-Drogen-Kampf geführt wird, ob und wie die zehntausenden Bauern entschädigt werden. Es ist nicht das erste Mal in diesem Einsatz, dass Berlin nicht gehört werden wird.

Die Lösung des Drogenproblems ist ausschlaggebend dafür, ob der Westen noch einen Minimalerfolg erzielen kann. Aber klar ist: Die Taliban werden Widerstand leisten. Und die Soldaten wissen das. „Ohne große militärische Operationen auch in unserem Einsatzgebiet werden wir nicht erfolgreich sein“, sagt ein ranghoher deutscher Militär. Es ist Zeit, dass auch die Politik dies zugibt. Es war schließlich das Parlament, dass die Soldaten in den Krieg geschickt hat.

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