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Trockener Verwalter statt schnittiger Gestalter. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hebt nicht ab.

© Alex Domanski, Reuters

Bundeswehrreform: Leere Schubladen im Verteidigungsministerium

Der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière muss bei der Bundeswehr nun Guttenbergs Politik bereinigen – der Finanzminister hilft dabei.

Von Robert Birnbaum

Horst Seehofer wittert schon mal vorbeugend Unrat. „Nicht die Energiewende, die Bundeswehr ist meine mit Abstand größte Sorge“, gibt der bayerische Ministerpräsident der „Augsburger Allgemeinen“ zu Protokoll. „Soldaten, Arbeitsplätze, Standorte – die Fragen sind ungelöst!“ Wie groß das Ausmaß der Probleme sei, dass sei ihm ja überhaupt erst klar geworden, als er vorige Woche mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière über die anstehende Bundeswehrreform gesprochen habe.

In normalen Zeiten würden solche Sätze aus dem Süden unvermeidlich in die strenge Mahnung an den Herrn Bundesminister münden, bei der anstehenden Bundeswehrreform die bayerischen Interessen bloß nicht zu vergessen, andernfalls sich der CSU-Vorsitzende mit aller Kraft ... und so weiter. Dass die Drohgebärde diesmal fehlt, legt eine Vermutung nahe: Seehofer zielt gar nicht auf den Christdemokraten de Maizière. Gemeint ist der christsoziale Vorgänger. Dazu passt, dass die Zeitung im gleichen Artikel ein zur Abwechslung diesmal ungenanntes bayerisches Kabinettsmitglied zitiert mit den Worten, Karl-Theodor zu Guttenberg habe beim Abgang aus Berlin ein „militär- und strukturpolitisches Desaster“ hinterlassen.

Nun ist es kein großes Geheimnis, dass Seehofer an einer Renaissance des einstigen Konkurrenten denkbar wenig Interesse hat und auch andere in der CSU über den Untergang des Hoffnungsträgers nicht nur traurig sind. Es war also eine Frage der Zeit, wann nach dem akademischen auch das politische Wirken des Freiherrn kritisch kommentiert würde. Die Zeit scheint gekommen. Nächste Woche stellt de Maizière sein Umbaukonzept vor. Auch der Preuße dürfte dann durchblicken lassen, wie es um das „bestellte Haus“ wirklich stand, das Guttenberg ihm zum Abschied versprochen hatte.

Tatsächlich hat de Maizière ja nicht nur viele leere Schubladen vorgefunden, sondern, viel übler, vorauseilend leere Kassen. Dass er sich mit der Zusage übernommen hat, bei der Bundeswehr 8,4 Milliarden Euro einzusparen, hatte Guttenberg selbst noch eingestanden. Der Nachfolger hat mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) inzwischen eine erste Entlastung vereinbart. De Maizière, als Kanzleramtschef mit den Finten und Möglichkeiten des Haushaltsrechts vertraut, zielte von Anfang an darauf ab, seinen Wehretat von Kosten zu entlasten, die mit der Verteidigung im engeren Sinne nichts zu tun haben. Dazu könnte man die beamtenrechtliche Versorgung der Ehemaligen zählen, die seit 2007 mit rund vier Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt verbucht werden, aber auch die Zusatzkosten der Einsätze.

Der Verteidigungsminister käme so formal dem erklärten Ziel näher, Guttenbergs Versprechen trotz allem einzuhalten, auch wenn Schäuble der Verschiebebahnhof in der Gesamtbilanz zunächst nichts bringt. Er ermöglichte es aber, das Geld zur Einhaltung der Schuldenbremse einstweilen per Sammelbüchsenumlage bei allen anderen Ressorts einzuholen. De Maizière gewönne zumindest Zeit. Dass die Abschaffung der Wehrpflicht, wenn überhaupt, nur auf längere Sicht zu Einsparungen führen kann, darüber herrscht unter Wehrexperten Einigkeit.

Seehofers Sorgen um die in Bayern besonders zahlreichen Bundeswehrstandorte beseitigt das nicht. Die Sorgen sind sogar berechtigt. De Maizière hat nämlich zumindest eine Aktenreihe im neuen Ministerium randvoll vorgefunden – die mit den Briefen der Ministerpräsidenten, Landräte und anderer Würdenträger aus der ganzen Republik, die schon seinen Vorgänger gedrängt haben, ihre Militärstandorte bei der anstehenden Kürzungswelle gnädig zu behandeln. Die CSU konnte damals darauf hoffen, dass der Parteifreund Guttenberg es sich nicht ohne Not mit den Bayern verderben würde. De Maizière hat keinen Grund für eine Sonderbehandlung. Aber die Standortfrage steht sowieso erst im Herbst zur Entscheidung an. Auch das spricht dafür, dass es Horst Seehofer diesmal nicht in erster Linie um die Sache ging.

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