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Zum ersten Mal mussten zwei Frauen in Frankreich eine Geldstrafe bezahlen, weil sie demonstrativ gegen das Verschleierungsverbot verstoßen hatten.

© dpa

Burka-Verbot: Erstes Schleier-Urteil in Frankreich

Als erstes westliches Land hat Frankreich im Frühjahr ein Vollschleier-Verbot eingeführt. Jetzt gibt es ein erstes Urteil. Zwei muslimische Frauen, die bewusst dagegen verstoßen haben, sollen eine Geldstrafe zahlen. Auch dagegen wollen sie kämpfen.

Gut fünf Monate nach Inkrafttreten des Vollschleier-Verbots in Frankreich hat ein Gericht erstmals zwei muslimische Frauen zu Geldstrafen verurteilt. Die beiden Nikab-Trägerinen waren im Mai bei einem konservativen Politiker in Meaux bei Paris erschienen, um ihm provokativ einen Geburtstagskuchen zu überreichen. Sie wollten ihm damit nach eigenen Angaben ermöglichen, juristisch gegen Vollschleier in seiner Gemeinde vorzugehen.

Laut Urteil sollen die Frauen nach Angaben ihres Anwalts zusammen 200 Euro zahlen. Einen Kurs in Staatsbürgerkunde, wie es die Staatsanwaltschaft zusätzlich gefordert hatte, müssen sie jedoch nicht belegen. Der Anwalt der verurteilten Frauen im Alter von 32 und 36 Jahren kündigte an, gegen die Gerichtsentscheidung Einspruch zu erheben. „Das Problem ist nicht die Strafe. Das Problem ist, dass diese Frauen praktisch unter Hausarrest stehen, sagte Gilles Devers.

Notfalls werde er bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Eine der beiden Betroffenen sagte vor Fernsehkameras: „Wir können nicht akzeptieren, dass Frauen verurteilt werden, weil sie ihre Überzeugung ausleben.“ In Frankreich dürfen sich Frauen in islamischen Kleidungsstücken wie Nikab oder Burka seit April nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Die Regierung erließ als erste in Europa ein solches „Burka-Verbot“. Bis Donnerstag hatte es jedoch keine Verurteilungen wegen Verstößen gegeben. Meistens blieb es bei Verwarnungen.

Bis Ende Juli waren bei den Behörden rund 100 Verstöße aktenkundig. Das heißt, Frauen wurden von der Polizei angehalten, mussten zur Identifizierung den Schleier lüften und wurden belehrt, dass ein Richter theoretisch eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 150 Euro und/oder einen Kurs in Staatsbürgerkunde verhängen kann.

Für die betroffenen Frauen hat das Gesetz erhebliche Einschränkungen zur Folge. Sie dürfen eigentlich nicht einmal mehr in einen Supermarkt zum Einkaufen gehen. Nach einer Studie der Stiftung „Offene Gesellschaft“ werden vollverschleierte Frauen in jüngster Zeit zudem gehäuft beschimpft und beleidigt. Manche berichten, dass sich nichtverschleierte Familienmitglieder nicht mehr mit ihnen auf die Straße trauten. Neben Beschimpfungen komme es zu Rempeleien und Versuchen, den Schleier vom Gesicht zu reißen.

Aus Protest gegen das Gesetz will eine Vollschleierträgerin bei den französischen Präsidentenwahlen im kommenden Frühjahr antreten. Die Frau arbeitet mit dem Menschenrechtsaktivisten Rachid Nekkaz zusammen, dessen Organisation „Touche pas à Ma Constitution“ (deutsch: Rühr meine Verfassung nicht an) allen betroffenen Frauen anbietet, für ihre Geldstrafen aufzukommen. Ihre Chancen, auf die Wahlzettel zu kommen, sind allerdings gleich null. Um kandidieren zu können, bräuchte sie die Unterstützung von 500 Mandatsträgern wie Parlamentariern, Bürgermeistern oder Regionalräten.

Dass es viele weitere Verfahren geben wird, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Nach Zahlen des Innenministeriums verbergen nicht mehr als 2000 der 65 Millionen Franzosen ihr Gesicht hinter Kleidungsstücken, die nur schmale Sehschlitze für die Augen offen lassen („Nikab“) oder diese sogar noch mit einem Gitterschleier verdecken („Burka“).

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