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Politik: „Bush fühlt sich von Schröder getäuscht“

Der FDP-Ehrenvorsitzende Lambsdorff rät der Bundesregierung, einen Irak-Krieg mit UN–Mandat zu unterstützen

Graf Lambsdorff, USVerteidigungsminister Rumsfeld klopft seinem deutschen Kollegen Struck auf die Schulter. Amerikas Präsident Bush telefoniert zehn Minuten mit Bundeskanzler Schröder. Ist das das Ende der Eiszeit zwischen Washington und Berlin?

Nein. Die Verstimmungen – und das ist noch ein milder Ausdruck –, die durch den deutschen Wahlkampf entstanden sind, lassen sich durch ein kurzes Telefonat und ein zweistündiges Gespräch zwischen den Verteidigungsministern nicht beheben.

Was muss geschehen?

Die Verletzungen, das habe ich bei meinen Besuchen in Washington und New York gemerkt, sind sehr tief. Das betrifft vor allem die Beziehungen zwischen dem Kanzler und dem amerikanischen Präsidenten. Um das zu verbessern, braucht es Geduld und Zeit.

Ist das persönliche Verhältnis zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush überhaupt noch zu retten?

Das kann ich nicht beurteilen. Es ist auf jeden Fall sehr belastet. Bush fühlt sich – zu Recht oder zu Unrecht – von Schröder getäuscht. Der Präsident sagt, der Kanzler habe ihm bei seinem Berlin-Besuch im Mai zugesagt, seine Irak-Politik zu unterstützen. Das Gegenteil sei aber geschehen.

Was kann die deutsche Politik aktiv tun, um das Verhältnis zu Amerika zu verbessern?

Im Moment können nur die Beziehungen auf der Arbeitsebene verbessert werden. Das wird auch bald wieder funktionieren. Aber man muss sich das mal vorstellen: Der deutsche Außenminister wollte einen Termin im Weißen Haus haben – abgelehnt. Dann versuchte Fischer, ein informelles Essen mit Mitarbeitern des Weißen Hauses zu arrangieren – abgelehnt. Haben Sie gesehen, wie Ungarns Premier vor kurzem in Washington empfangen wurde? Er hat mit Bush und seinen wichtigsten Ministern Termine bekommen. Daran kann man sehen, wie Deutschland derzeit in Washington angesehen ist.

Die USA pflegen die Welt in zwei Kategorien von Ländern einzuteilen: die einen bereiten Probleme, mit den anderen werden Probleme gelöst. Zu welcher Gruppe gehört aus Washingtons Sicht die Bundesrepublik?

In keine von beiden.

Wohin denn dann?

In eine dritte Kategorie: Länder, die man nicht braucht. Das ist eine Folge des „deutschen Weges“, von dem der Bundeskanzler im Wahlkampf gesprochen hat. Also der Haltung, Deutschland werde selbst mit UN-Mandat nicht an einem Krieg gegen den Irak teilnehmen. Mit dieser Einstellung haben wir uns in der Weltgemeinschaft isoliert. Wenn wir ab Januar im Sicherheitsrat sitzen, können wir uns eine solche Blockadehaltung nicht mehr leisten.

Darf man die USA nicht kritisieren?

Doch. Ich bin zwar nicht dieser Meinung, aber man kann auch als deutscher Politiker deutlich sagen: Ich bin gegen eine kriegerische Lösung im Irak. Aber entscheidend ist doch der Ton, wie so etwas gesagt wird. Wenn man Amerikas Präsident aber einen Cowboy und einen Abenteurer nennt, dann ist das auf jeden Fall der falsche Ton.

Vielleicht kann Deutschland seine Isolation durchbrechen, indem es zum Beispiel in Afghanistan mehr Verantwortung übernimmt.

Das ist schon möglich. Amerika begrüßt das angekündigte Engagement ausdrücklich. Ich bin allerdings schon gespannt, wie wir unsere Truppen nach Kabul bringen. Vermutlich mit Flugzeugen von Touristik-Unternehmen. Wir haben ja keine eigenen Transportmöglichkeiten.

Wird in Washington noch mehr von Berlin erwartet?

Sicherlich. Amerikas Politiker gehen davon aus, dass wir nach einem erfolgreichen militärischen Einsatz der USA gegen den Irak helfen, den Frieden zu sichern, mit Soldaten oder Polizisten und mit Geld.

Wird Deutschland das machen?

Das müssen Sie die rot-grüne Bundesregierung fragen.

Was würden Sie denn raten?

Wenn wir das nicht machen, kommt das Verhältnis zu den USA keinesfalls in Ordnung. Sollte es ein UN-Mandat geben, den Frieden in der Region zu sichern, werden wir uns kaum entziehen können. Ich kann es jedenfalls nicht empfehlen.

Sind Deutsche und Amerikaner wieder Freunde, wenn wir im Irak für Ruhe sorgen?

Es gibt seit mehr als vierzig Jahren eine deutsch-amerikanische Freundschaft, die zwischen den beiden Völkern. Daran ändern auch die derzeitigen Misstöne nichts. Die sind Ausdruck des Verlusts von gegenseitigem Vertrauen. Aber das gilt für die politische Spitze, nicht für die Bürger.

Das Gespräch führten Christian Böhme und Robert von Rimscha.

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