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Politik: „Bush war aufrichtig“

Ex-Waffeninspekteur Blix über zweifelhafte Beweise vor dem Krieg

USPräsident Bush hat die Verantwortung für die Irak-Vorwürfe in seiner Rede an die Nation übernommen. Wie bewerten Sie das?

Es ist gut, dass Bush die Verantwortung übernommen hat. Ich habe nie bezweifelt, dass er von der Richtigkeit dessen überzeugt war, was er gesagt hat. Wir müssen aber weiter nach der Wahrheit suchen. Es gibt viele Beweise, die sehr zweifelhaft sind. Die Inspekteure haben nach der Wahrheit gesucht, und Bushs Regierung sollte das auch tun.

Auch Außenminister Powell ist wegen der Beweisführung vor den UN in der Kritik. Berührt es Sie, dass er Sie offenbar angelogen hat?

Man kann nicht sagen, dass er gelogen hat. Er hat bei seinen Ausführungen auch die Zweifel erwähnt. Powell hat sich wohl so gut er konnte um Zurückhaltung bemüht. Aber die Kräfte in seiner Regierung waren derart, dass am Ende die Entscheidung für einen Krieg fiel. Es ist wichtig, dass die Beweise, die er vorgelegt hat, untersucht werden. Ich habe damals gesagt, dass wir nicht überzeugt waren. Jetzt gibt es vielleicht ein Klima für eine kritischere Untersuchung.

Müssen politische Konsequenzen aus den Vorwürfen gezogen werden?

Das müssen die Amerikaner entscheiden. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Aber die Glaubwürdigkeit der USA und Großbritanniens steht auf dem Spiel. Ich zweifle nicht an der Aufrichtigkeit der Regierungen. Aber die Beweise, auf die sie sich verließen, werden permanent ausgehöhlt. Ich schließe immer noch nicht aus, dass im Irak Hinweise auf Programme biologischer und chemischer Waffen gefunden werden könnten, wie Bush sagt. Aber vor dem Krieg war nicht nur die Rede von Programmen, es wurde behauptet, dass die Waffen tatsächlich existieren.

Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen?

Ich denke nicht, dass wir etwas falsch gemacht haben. Uns hat aber überrascht, dass die Amerikaner und Briten so wenig Geduld hatten. Die UN-Resolution wurde am 8. November angenommen, Mitte März begann bereits der Krieg. Erst im März jedoch haben wir die Namen von Zeugen erhalten, die nach Angaben der Iraker 1991 an der Zerstörung von biologischen und chemischen Waffen beteiligt waren. Das war eine verpasste Chance .

Warum spielten die Iraker mit den Inspekteuren Versteck, wenn nichts zu verstecken war?

Mit uns haben die Iraker nicht Versteck gespielt. Wir hatten Zugang zu allen Orten, die wir besuchen wollten. Sie haben gesagt, sie hätten keine Massenvernichtungswaffen, und vielleicht hatten sie wirklich keine. In den 90er Jahren haben sie tatsächlich Katz und Maus gespielt. Ich habe mich oft gefragt, warum. Eine mögliche Antwort ist: Stolz. Saddam Hussein empfand das Ganze als Beleidigung. Deswegen versuchte er, die Inspekteure zu stoppen, wo er nur konnte. Ein anderer Grund könnte sein, dass es den Irakern ganz recht war, wenn in der Region alle glaubten, dass sie die Waffen hätten. Das ist, als würde man ein Schild „Warnung vor dem Hund“ aufstellen, selbst wenn man gar keinen Hund hat.

Glauben Sie, dass die amerikanischen Inspekteure im Irak etwas finden werden?

Es sieht so aus, als ob sie nicht mehr finden als wir: Schutt aus der Vergangenheit, Bruchstücke. Ihre Inspektionen dauern inzwischen länger als unsere. Es könnte sein, dass Beweise dafür gefunden werden, dass die Iraker biologische und chemische Fabriken hatten. Aber solche Dinge gibt es in vielen Teilen der Welt. Der Unterschied zwischen einer Fabrik, die Impfstoffe produziert, und einer Fabrik, die Biowaffen produziert, liegt größtenteils in der Absicht. Es ist also einfach zu sagen, dass der Irak zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen fähig gewesen sein könnte. Wir brauchen aber Beweise dafür, dass es solche Pläne tatsächlich gab. Ich will das nicht ausschließen. Aber die Geheimdienstinformationen, welche Bush und Blair suggerierten, dass es die Waffen gab und sie innerhalb von 45 Minuten eingesetzt werden könnten – die waren nicht korrekt.

Das Gespräch führten Claudia von Salzen und Ulrike Scheffer.

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