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Politik: Bush wirbt in Prag für Raketenabwehr

US-Präsident verspricht Gegenleistungen für Stationierung eines Radars auf tschechischem Territorium

Zum Auftakt seiner Europareise hat der amerikanische Präsident George W. Bush in Prag für den geplanten Raketenabwehrschild geworben. In Tschechien will das US-Militär eine Radaranlage stationieren, die als wichtiger Bestandteil des Verteidigungssystems gilt. Bei Gesprächen mit führenden Prager Politikern stellte Bush den Tschechen weitreichende Zugeständnisse in Aussicht, wenn sie das Projekt unterstützen. Noch am Dienstagabend wurde der US-Präsident in Deutschland erwartet, wo er am G-8-Gipfel in Heiligendamm teilnimmt.

In Tschechien ist die geplante amerikanische Radarstation heftig umstritten. Ob das Parlament den Weg für das Vorhaben ebnet, ist noch unsicher, weil selbst innerhalb der Regierung noch keine Einigkeit herrscht.

„Fest steht, dass wir Amerikaner uns gegen potenzielle Angriffe verteidigen werden“, sagte US-Präsident Bush in Prag auf einer Pressekonferenz. „Ich kann mir vorstellen, dass eine solche Verteidigung auch im Interesse der Tschechen liegt.“ In Heiligendamm werde er mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin über das Raketenabwehrsystem sprechen, um auf dessen Bedenken einzugehen.

Gleichzeitig versprach Bush, sich in Amerika für die Abschaffung der Visumspflicht für tschechische Staatsbürger einzusetzen. Der Prager Premierminister Mirek Topolanek bestritt allerdings, dass es dabei um eine Gegenleistung für die Zustimmung zur Radarstation geht. „Die beiden Themen verhandeln wir parallel, sie sind aber keinesfalls miteinander verknüpft“, sagte er. Stattdessen wünsche er sich künftig eine engere Zusammenarbeit mit den Amerikanern auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet.

„Die Menschen hier in Tschechien müssen sich nicht mehr entscheiden, ob sie Freunde der USA oder Freunde Russlands sein wollen. Sie können beides haben“, sagte Bush in Prag und warb um Unterstützung. In Umfragen allerdings spricht sich regelmäßig eine Mehrheit der Tschechen gegen die Radaranlage aus. Der Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten wurde begleitet von einer Massendemonstration, zu der Gegner des geplanten Verteidigungssystems aufgerufen hatten.

Regierungschef Mirek Topolanek von der bürgerlichen Partei ODS hat sich indes zustimmend zur Stationierung der amerikanischen Anlage geäußert. Bei den Grünen, die gemeinsam mit der ODS und den Christdemokraten eine Koalition bilden, stößt das Projekt hingegen auf Widerstand. Bei ihnen tobt derzeit ein innerparteilicher Richtungskampf. „Wie immer bei den Grünen verlaufen Debatten über die Militär- und Sicherheitspolitik sehr leidenschaftlich. Da sind wir in Tschechien keine Ausnahme“, sagt Ondrej Liska, der Vizechef der Partei. Politologen erkennen in der Debatte über das amerikanische Radarsystem Parallelen zu Diskussionen bei den deutschen Grünen, die bei der Entscheidung über einen Kosovo-Einsatz der Bundeswehr in einen ähnlichen Konflikt zwischen der Basis und der Parteiführung geraten waren.

Als Wortführer der pazifistischen Strömung innerhalb der tschechischen Grünen hat sich ein Student aus Prag profiliert. Der 23-jährige Matej Stropnicky sitzt im Beirat der Partei und hat die Grünenführung mit einer Rede brüskiert, die er auf einer Großkundgebung gegen das Raketenabwehrsystem gehalten hat. Sein Auftritt bei den Gegnern der Radaranlage weiche von der Linie der Partei ab, heißt es in Prag. Die Fraktion der Grünen besteht auf einer Einbettung des Systems in die Nato-Sicherheitsstrategie, äußert aber keine prinzipiellen Bedenken gegen das Radar.

Kilian Kirchgeßner[Prag]

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