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Amerikanische Verhältnisse in Deutschland?

© REUTERS

Campact: Widerstand gegen Freihandelsabkommen mit den USA wächst

Der Protest gegen ein Freihandelsabkommen zwischen USA und EU wird immer größer. Mehr als 430.000 Menschen haben seit Dezember auf der Online-Aktionsplattform Campact unterschrieben. – nun ist der Bundestag gefragt.

Von Katrin Schulze

Seit zehn Jahren gibt es die Online-Aktionsplattform Campact, doch so eine erfolgreiche Kampagne wie jetzt haben die Mitarbeiter in all der Zeit noch nicht erlebt. Mehr als 430 000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift seit Dezember nun schon den Verhandlungsstopp für das Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) gefordert, und täglich kommen etwa 1000 weitere dazu. „Das zeigt uns, was das für ein emotionales Thema ist“, sagt Campact-Aktivistin Maritta Strasser. „Wir hoffen, dass es uns so gelingt, dieses Abkommen zu verhindern.“

Campact und andere Plattformen im Internet rufen zum Widerstand auf

Wie Campact haben auch andere Internetplattformen zum Widerstand aufgerufen und nun wohl sogar erreicht, dass sich der Bundestag mit dem Thema beschäftigt. So dürften die Vorbehalte gegen das TTIP bald im Petitionsausschuss vorgetragen werden. Bereits 68 000 Menschen haben die entsprechende Petition mit der Nummer 48994 auf der Bundestags-Website unterzeichnet. „Ich gehe davon aus, dass es eine öffentliche Sitzung dazu geben wird“, sagt die Ausschussvorsitzende Kersten Steinke (Linke). Die Entscheidung dazu soll am Mittwochmorgen vorliegen. In dem Antrag heißt es, „der Deutsche Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, sich gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auszusprechen“.

US-Firmen könnten Staaten verklagen, die strenge Umwelt- und Lebensmittelgesetze haben

Das Abkommen untergrabe die Demokratie und den Rechtsstaat, heißt es in dem Text. Unternehmen könnten Staaten auf Schadenersatz verklagen, wenn diese strengere Regulierungen beschließen. Zudem befürchten die Unterstützer der Petition, dass der Datenschutz gefährdet sei und europäische Lebensmittelstandards durch laschere US-Regeln verwässert werden: „Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch.“

Seit dem vergangenen Sommer verhandeln die Europäische Union und die USA über den Wegfall von Handelsschranken und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der die größte Freihandelszone der Welt mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen soll. Im Zuge der NSA-Affäre hatte das Europaparlament allerdings schon damit gedroht, das Abkommen platzen zu lassen. Zuletzt wurde außerdem bekannt, dass die Bundesregierung dagegen ist, Teile eines Investitionsschutzabkommens in den Vertrag mit aufzunehmen. Doch das geht den Gegnern längst nicht weit genug.

„Es ist selten der Fall, dass ein politischer Vorgang so viele Bereiche negativ beeinflusst“, sagt Maritta Strasser von Campact und zählt auf: „Gesunde Ernährung, Umweltschutz, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte.“ Strasser sieht gute Chancen für einen Erfolg ihrer Initiative. „Wenn viele Menschen wütend sind, finden wir Wege, den Politikern klarzumachen, dass der Preis zu hoch ist“, sagt sie. Die politische Unterstützung bröckele ja ohnehin schon, und zwar nicht nur bei der Linkspartei. Die CSU zum Beispiel hat erst Anfang März einen europaweiten Volksentscheid über das TTIP vorgeschlagen. Und auch die Gewerkschaften sind zunehmend skeptischer. „Wir fordern einen Stopp der Verhandlungen, weil es vorrangig um die Absenkung von Schutzmechanismen für Verbraucher und Arbeitnehmer geht“, sagte der Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, dem Tagesspiegel.

Wie erfolgreich so ein Protest sein kann, der im Internet angestoßen wird, zeigte sich etwa beim Acta-Abkommen. Nachdem Zehntausende mobilisiert durch soziale Netzwerke gegen den Produktpiraterie-Vertrag protestiert hatten, setzte die Bundesregierung ihre Unterschrift 2012 aus, später kippte das EU-Parlament das Abkommen endgültig. Wer die jetzige Petition gegen das transatlantische Abkommen beim Bundestag eingereicht hat, ist übrigens völlig unklar. Der Ausschuss möchte die Namen aus Datenschutzgründen nicht nennen. Und obwohl der Text nahezu identisch ist mit den Formulierungen von Campact, versichern die Mitarbeiter der Onlineplattform, dass sie nicht dahinterstecken.

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