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Politik: Castor-Transporte: Der Nuklearmüll rollt, die Grünen streiten

Nach der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich auf eine Wiederaufnahme der umstrittenen Transporte von Nuklearmüll droht den Grünen ein neuer Konflikt in der Atompolitik. Die designierte Parteichefin Roth warnte am Donnerstag vor einer Blockade von Castor-Transporten nach Gorleben.

Von Matthias Meisner

Nach der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich auf eine Wiederaufnahme der umstrittenen Transporte von Nuklearmüll droht den Grünen ein neuer Konflikt in der Atompolitik. Die designierte Parteichefin Roth warnte am Donnerstag vor einer Blockade von Castor-Transporten nach Gorleben. Dagegen kündigten Atomkraftgegner entschiedenen Widerstand an. Kanzler Schröder und Frankreichs Premier Jospin hatten sich geeinigt, dass Ende März/Anfang April ein erster Transport ins Zwischenlager Gorleben stattfinden darf. Deutsche Akw dürfen ihren Abfall kurz darauf in die Wiederaufbereitung nach La Hague schicken.

1998 waren die Transporte nach Protesten vor allem von Umweltschützern in Deutschland unterbrochen worden. Jetzt bemühen sich die Spitzenpolitiker der Grünen, eine Eskalation des Widerstandes zu vermeiden. Die designierte Parteichefin Claudia Roth sagte, es gehe nicht darum, Demonstrationen einzuschränken. Im NDR betonte sie aber, die Grünen könnten nicht gut zur Blockade eines Transportes aufrufen, der in der Logik des Atomkonsenses notwendig sei. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck appellierte an die Grünen, bei den Transporten zu bedenken, dass der Atomausstieg beschlossene Sache sei.

Derweil mobilisieren die Atomkraftgegner im Wendland gegen die Transporte - und kritisieren heftig auch die Grünen. Der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmcke, sagte, der erste Transport von La Hague nach Gorleben solle ein "Türöffner für die Wiederaufnahme des deutsch-französischen Atommülltourismus" sein. "Diese Tür wollen wir versperren, wir stellen uns quer, und zwar gemeinsam mit französischen Umweltschützern." Die französischen Grünen begrüßten zwar den Rücktransport nach Gorleben, wandten sich aber vehement dagegen, dass neuer deutscher Atommüll nach Frankreich geschafft wird. Frankreich sei nicht der Abfallhaufen für radioaktiven Müll aus Deutschland, erklärten sie in Paris.

Auf ihrer Internet-Seite wandte sich die Bürgerinitiative Umweltschutz aus dem Wendland gegen die "grünen Technokraten", die Demonstrationen gegen Atomtransporte verhindern wollten: "Der Verrat an den eigenen Prinzipien hat die grünen Postenjäger für immer entlarvt." Jochen Stay von der Anti-Atomkraft-Initiative "X-tausendmal quer überall" kritisierte, Gerhard Schröder und Lionel Jospin hätten sich klar für die Interessen der Atomwirtschaft und gegen den Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung entschieden. "Jedes grüne Parteimitglied sollte nun für sich entscheiden, auf welcher Seite es steht."

Der Konflikt erregt die Grünen zunehmend. Die Chefin des Hamburger Landesverbandes, Antje Radcke, sprach sich dafür aus, die Proteste gegen die Castor-Transporte zu unterstützen. Auch die Landesverbände Niedersachsen, Thüringen und Brandenburg gaben entsprechende Erklärungen ab. Ein Beschluss des Grünen-Parteirats, der sich gegen Blockaden ausgesprochen hatte, wird inzwischen in der Führung als "missverständlich" bedauert. Heftige Kritik gibt es auch an Umweltminister Jürgen Trittin, der in einem Brief an grüne Kreisverbände Aktionen "unabhängig von der Form des Protestes, ob durch Sitzen, Gehen oder Singen" als "politisch falsch" bewertet hatte. Grünen-Bundesvorstandsmitglied Undine Kurth sagte dem Tagesspiegel: "Die Art und Weise wie sich Trittin an die Kreisverbände gewandt hat, ist nicht glücklich und behindert die notwendige Diskussion."

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