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Politik: Castor und Atomausstieg: "Es gibt gar keinen Atomkonsens"

Nach dem von heftigen Protesten begleiteten Castor-Transport ist ein grundsätzlicher Streit über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland neu entflammt. Vertreter der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Grüne und SPD warfen am Freitag der Bundesregierung und den Energiekonzernen gleichermaßen vor, den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie nur halbherzig zu betreiben und letztlich zu gefährden.

Von Antje Sirleschtov

Nach dem von heftigen Protesten begleiteten Castor-Transport ist ein grundsätzlicher Streit über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland neu entflammt. Vertreter der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Grüne und SPD warfen am Freitag der Bundesregierung und den Energiekonzernen gleichermaßen vor, den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie nur halbherzig zu betreiben und letztlich zu gefährden. Kern der Kritik ist die seit Monaten ausstehende Novelle des geltenden Atomgesetzes. Auf diese Neufassung hatten sich Bundesregierung und Energiewirtschaft im vergangenen Sommer im Zusammenhang mit dem Atomkonsens verständigt. Das neue Atomgesetz soll den Ausstieg aus der Kernenergie festschreiben und den Energiekonzernen Rechtssicherheit geben.

Gut neun Monate nach der Unterzeichnung des Atomkonsenses hat sich die Bundesregierung noch immer nicht auf einen Entwurf für das Atomgesetz verständigt. Grund genug für den stellvertretenden Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie grundsätzlich infrage zu stellen: "In Wahrheit gibt es noch gar keinen Atomkonsens", sagte Müller am Freitag dieser Zeitung. Wenn sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) nicht in Kürze auf einen Gesetzestext verständigen, fürchtet der SPD-Parlamentarier, dass der Bundestag mit der Novellierung des bestehenden Gesetzes nicht mehr vor der Sommerpause beauftragt werden kann. Danach sei es dann fraglich, ob ein solch umstrittenes Gesetz angesichts des beginnenden Wahlkampfes noch durchsetzbar ist. Dass durch eine Verzögerung das gesamte Ausstiegsmodell gefährdet ist, will auch die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Michaele Hustedt, verhindern. "Wir sind außerordentlich nervös", sagte Hustedt mit Blick auf die seit vergangenen September andauernden Streitigkeiten. Die zu diesem Zeitpunkt von Trittin vorgelegte Gesetzesnovelle wurde vom Wirtschaftsministerium und den Energiekonzernen, die dem Papier verabredungsgemäß vor dem parlamentarischen Verfahren zustimmen müssen, zurückgewiesen. Dem Vernehmen nach gibt es bis heute vor allem darum Streit, wie die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie begründet. Während Trittin "mangelnde Sicherheit" der Atomkraftwerke formuliert haben soll, lehnten der Wirtschaftsminister und die Energiewirtschaft eine solche Begründung ab. Zur Erinnerung: Ziel des Atomkonsenses war, ein Gesetz zu schaffen, das für die Konzerne Rechtssicherheit schafft. Wird nun im neuen Atomgesetz der Ausstieg mit Sicherheitsgründen untermauert, fürchten die Unternehmen Klagen. "Die Atomgesetz-Novelle muss rechtssicher sein", fordert der SPD-Abgeordnete Müller.

Grafik: Ausstieg auf Raten Ob und wann das Bundeskabinett die Novelle verabschieden kann, ist in der Tat vollkommen offen. Zwar sagte Trittins Sprecher Michael Schroeren, man sei "in der letzten Phase" der Abstimmung. Doch hinter den Kulissen wird seit Monaten so heftig zwischen den Ministerien gestritten, dass sich auch das Bundeskanzleramt eingeschaltet hat. Schlimmer noch: Nach den Protesten während der Castor-Transporte werden bei den Grünen Stimmen laut, die sogar eine Neuverhandlung des Atomkonsenses fordern.

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