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Causa Wulff: Auf Ermittlern lastet großer öffentlicher Druck

So mancher findet, in der Affäre um den Bundespräsidenten werde mit zweierlei Maß gemessen und fordert ein Verfahren. Die Staatsanwaltschaft sieht aber nach wie vor keinen Anfangsverdacht.

Sie bekommen Hass-Mails von aufgebrachten Bürgern, erhalten Schelte von erfahrenen Strafverteidigern und angesehenen Jura-Professoren: Die Korruptionsermittler der Staatsanwaltschaft Hannover stehen in der Causa Christian Wulff unter erheblichem Druck. Warum, müssen sie sich öffentlich fragen lassen, werde gegen den Bundespräsidenten kein Verfahren wegen Vorteilsannahme eingeleitet, während jeder kleine Beamte schon bei einer geschenkten Kiste Wein die Fahnder im Hause habe?

„Wir prüfen weiter intensiv, ob ein Anfangsverdacht gegen Herrn Wulff vorliegt“, sagt Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel mit Blick auf die jüngsten Berichte über einen Sylt-Urlaub im Jahr 2007 des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten mit dem Film-Unternehmer David Groenewold. Erst wenn seine Kollegen aus der Korruptionsbekämpfung diesen Anfangsverdacht bejahten, könne man beim Deutschen Bundestag die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten beantragen. Eine Entscheidung darüber falle vermutlich in den nächsten Wochen. Ohne vorherige Zustimmung des Parlaments dürfen die Fahnder laut Grundgesetz nicht aktiv werden; sie dürfen keine Akten beschlagnahmen, keine Zeugen vernehmen, keine Diensträume durchsuchen. „Wir schöpfen nur aus Quellen, die uns ohne Ermittlungshandlungen zugänglich sind“, erklärt Lendeckel. Soll heißen, die Staatsanwälte schauen Fernsehen, lesen Zeitung, studieren Pressemitteilungen. Daraus müsse er jetzt einen Tatsachenkern herausschälen, um „zureichende Anhaltspunkte“ für eine mögliche strafbare Vorteilsannahme zu begründen, erklärt der Leiter der vierköpfigen Korruptionsabteilung, ein erfahrener Ermittler, der anonym bleiben will. So habe er es bei jedem der Vorwürfe, bei jeder der mehr als 100 Strafanzeigen gegen Wulff gehalten. Bisher immer mit dem Ergebnis: nicht stichhaltig.

Etwa beim 500 000-Euro-Kredit des Unternehmer-Ehepaars Geerkens für Wulffs Privathaus. Eine Unrechtsvereinbarung, also die – auch stillschweigend – getroffene Abrede, hier fließe Geld gegen eine Diensthandlung, wollten die Staatsanwälte nicht erkennen. Zumal sie einen „privaten Überhang“ sahen. Zuwendungen von guten Freunden seien schließlich nicht von vornherein verboten. Ähnlich die Argumentation auch bei den anderen Gratis-Urlaubsreisen des Ministerpräsidenten. Die Ermittler verneinten einen Dienstbezug, weil der zeitliche Zusammenhang und damit die inhaltliche Verknüpfung von amtlicher Tätigkeit und Vorteil fehlten. Beim Fall Groenewold dagegen kamen die Staatsanwälte aber ins Grübeln – trotz der Freundschaft Wulffs mit dem Filmproduzenten. Eine von dessen Firmen hatte vom Land Niedersachsen eine Fünf-Millionen-Euro-Bürgschaft erhalten, der gemeinsame Sylt-Trip kurze Zeit danach erweckt zumindest den Anschein einer Belohnung. Zwar lassen die beiden Freunde über ihre Anwälte erklären, Groenewold habe die Hotelkosten nur für Wulff verauslagt. Aber die Ermittler machen sich ihre eigenen Gedanken, nicht nur angesichts der möglichen Vertuschungsversuche.

Wie die Staatsanwaltschaft Gratisreisen bewertet, erfährt derzeit Wulffs ehemaliger Sprecher und Vertrauter Olaf Glaeseker schmerzhaft. Der hatte seine Ferien mehrmals beim Event-Manager Manfred Schmidt in Spanien und Südfrankreich verbracht – und diesen nahezu zeitgleich tatkräftig bei der Promi-Party „Nord-Süd-Dialog“ 2009 in Hannover unterstützt. Gegen Glaeseker wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, gegen Schmidt wegen Bestechung. Es gab Hausdurchsuchungen, derzeit wertet das Landeskriminalamt 30 000 Dateien aus. Dass die beiden Beschuldigten einander eng verbunden gewesen seien, könne kein Rechtfertigungsgrund sein, sagen die Ermittler. Schließlich habe gerade ein schöner Urlaub ein „beträchtliches Verführungspotenzial“.

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