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Erklärungsbedarf. Merkel stellte die CDU- Basis aber nicht ganz zufrieden. Foto: ddp

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CDU: Applaus dünn, Erwartungen hoch

Die Kanzlerin wird beim Treffen mit CDU-Kreisvorsitzenden recht deutlich mit der Realität konfrontiert: Die Partei ist unzufrieden.

Von Robert Birnbaum

Berlin – Engelbert Rauen lobt Angela Merkel über den grünen Klee. Rauen ist Bürgermeister im münsterländischen Wettringen, 83,8 Prozent bei der Wahl im letzten Herbst, ein gestandener Christdemokrat aus tiefschwarzen Landen und infolgedessen der Verzweiflung ziemlich nahe. Trotzdem stattet er seiner Vorsitzenden erst mal einen ganz herzlichen Dank ab für „in außergewöhnlichem Maße“ gut bewältige Aufgaben, bevor das große Aber kommt: „Was sich seit der letzten Bundestagswahl abgespielt hat, verstehen weder die Wähler noch die Mitglieder.“ Merkel sitzt auf dem Podium im Foyer des Konrad-Adenauer- Hauses und macht sich Notizen. Die CDU hat ihre Kreisvorsitzenden zur Aussprache eingeladen. Es ist bitter nötig.

Denn die Krise der Koalition hat längst auch die CDU erreicht. Den schwarz-gelben Fehlstart haben Mitglieder und Wähler der Christdemokraten noch überwiegend den beiden kleinen Partnern FDP und CSU angelastet. Inzwischen bekommen Parteifunktionäre immer häufiger die Frage zu hören: Warum kriegen wir das nicht in den Griff? Ein „riesiges Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblem“ gebe es, sagt Rauen. „In der Partei gibt es überhaupt kein Verständnis für die Auseinandersetzungen und das Durcheinander in der Regierung“, sagt der Berliner Fraktionsvize Michael Braun. Jens Petersen aus Düsseldorf fasst die Stimmungslage im Parteivolk knapp zusammen: „Die Verantwortlichen in Berlin zerstören das, was wir an der Basis leisten!“ Bei dem Satz klopfen viele im Foyer sehr nachdrücklich auf ihre Tische. Das dumpfe Pochen ist gewissermaßen das Alarmsignal, von dem Generalsekretär Hermann Gröhe einleitend gesprochen hatte. Es gilt der Frau da oben auf dem Podium.

Merkel hat vorher in einer längeren Rede ihr Krisenmanagement in Europa und die Politik der Koalition inhaltlich verteidigt. Aber schon am ungewöhnlich dünnen Applaus für die einleitende Passage, die sich mit der Schlechtigkeit der SPD im Allgemeinen und der der nordrhein-westfälischen SPD-Chefin Hannelore Kraft im Besonderen befasste, hätte Merkel merken können, dass die gut 150 Männer und Frauen vor ihr auf anderes warten als das Übliche. Auch die Aufmerksamkeit der Parteifunktionäre für die Details des Sparpakets und der Euro-Rettungsbeschlüsse lässt zu wünschen übrig. Sie wollen einen simplen Satz hören. So etwas in der Art von: „Ich habe verstanden.“

Doch Merkel belässt es erst einmal bei einem, immerhin, ungewöhnlich deutlichen Bekenntnis zu Schwarz-Gelb. Elf Jahre lang hätten CDU, CSU und FDP auf dieses Bündnis gewartet, die Union sei zwischenzeitlich den „Umweg“ über die große Koalition gegangen – „da wäre es doch ein Treppenwitz der Geschichte, wenn wir diese Aufgabe jetzt nicht erfüllten!“ Und, ja, das wolle sie versprechen, den „Prozess zu verbessern“.

Den Basisvertretern reicht das nicht. Deshalb das Klopfen. Deshalb aber auch harte Kritik jenseits der Klage über miesen Stil und Umgangsformen „wie in einer billigen Kneipe“. „Dass Sie gewartet haben mit dem Sparpaket bis zur NRW-Wahl, hat uns nicht geholfen“, sagt der Münsterländer Rauen. Über „zu viele Prüfaufträge“ schon im Koalitionsvertrag und einen Mangel an großen Linien beschwert sich Reinhold Hilbers aus dem Emsland. Mehrere Redner kritisieren eine soziale Schieflage im Sparpaket. „Spätestens seit der Euro- und Griechenlandkrise weiß jeder, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen“, sagt der Berliner Braun. Unverständlich, wieso die CDU diese Bereitschaft zur Solidarität ignoriert, wieso Elterngeld unten gestrichen, aber oben auch Müttern weiter gewährt wird, die nicht mehr arbeiten.

An dem Punkt verspricht Merkel nachgereichte Gerechtigkeit auf Umwegen: Bei der Neuberechnung der Hartz-IV- Sätze für Kinder im Herbst werde in etwa die gleiche Summe, die indirekt gestrichen werde, als direkte Unterstützung für Kinder wieder draufgelegt. Nachgereicht hat sie zuletzt auch den Satz, auf den alle von Anfang an warteten. Ab und zu treffe sie ja normale Menschen, Freunde und Bekannte. „Ich weiß, was sie vor Ort ... na ja, erleben.“ Und dass es „gar nicht vorstellbar“ sei, dass diese Koalition aus ihrer Chance nichts mache. Der Applaus bleibt höflich. Seit acht Monaten ist genau das nur zu vorstellbar.

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